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unter die Grundlinien herabgehen (und dadurch die Form der Pyra-

mide zur Zwiebelform machen), aufweist. Jedes Wertsystem wird zu

dem Ergebnis kommen, es habe der Weltbaumeister Gold und Edel-

steine nur sparsam unter die große Masse gemeiner Gesteinsarten

eingesprengt.

Wichtig ist aber ferner, daß die Ordnung nach Wertschichten durchaus nicht

so verschieden ausfällt, wie die oben betrachtete inhaltliche Gegensätzlichkeit der

Gemeinschaften selbst verlangt. Es können sich z. B. Wagneranhänger und

Wagnerfeinde bis aufs Messer bekämpfen, in der Wertung der Musik und weiter-

hin des Künstlerischen, ferner der schöpferischen Geister in der Kunst und den

ihr verwandten geistigen Gebieten aber verhältnismäßig einig sein: Allgemeinere

(abstraktere) und darum weiter umfassende Gesamt-Gemeinschaften finden sich

trotz innerer Verschiedenheit der Wertungen zusammen. Die Kunst überhaupt

würde darum in einem Wertsystem der Wagnerianer ebenso wie ihrer Gegner,

ferner der Kubisten, Futuristen, Impressionisten usw. doch immer eine bestimmte

Stellung in der gesellschaftlichen Pyra- / mide einnehmen; die Streitigkeiten

beginnen hier erst in der Schichte der Kunst selber, die Streitigkeiten sind

innere, gleichsam häusliche Angelegenheiten der betreffenden Wertschichte. Ähn-

lich die religiösen Gruppen. Sie sind darüber einig, welche Stellung die religiösen

Werte in der Pyramide einzunehmen haben, erst innerhalb dieser Schichte der

Pyramide entsteht recht eigentlich der Streit zwischen Katholiken und Protestan-

ten, zwischen Altgläubigen und Neuerern.

Die Durchführung der Wertschichtung der Gesellschaft ist aber

nicht schon in sich selbst sichergestellt. Sie bedarf dazu noch eines

anderen, der Herrshaft. Darauf kommen wir später zurück

1

.

V.

Das organische Enthaltensein der Gemeinschaftsinhalte im

Gesamtgeistigen der Gesellschaft. Der Begriff des geistigen Standes

Die in den Gezweiungskreisen erscheinenden geistigen Inhalte

unterliegen nicht nur einer Ordnung nah ihrem Werte, sondern —

was für den wirklichen Bestand der Gesellschaft erstwesentliher

ist — auch einer Ordnung kraft ihrer inhaltlichen Bezogenheit auf-

einander.

Rein gestaltenmäßig (morphologisch) gesehen, ergibt sich auch aus

der erkannten Wertschichtung der Gesellschaft noch immer die

Frage: Wie wird aus der Vielartigkeit der Gemeinschaften eine Ein-

heit? Wie kann die Gesellschaft leben, wenn trotz ihrer Wertschich-

tung nur Leute, die, wie vom Monde heruntergekommen, einander

1

Siehe unten S. 289 ff.