356
[293/294]
k a n n t , k a n n n i e m e h r d u r c h r i c h t i g e r e B e g r i f f e
e r f a ß t w e r d e n . Hier ist ein Fortschritt nicht mehr möglich.
Die Grundbestimmungen der Natur liegen in uns, in unserer Ver-
nunft, unserem Wesen und sind daher unveränderlich. Was sich än-
dert, ist nur die Kenntnis der Tatsachen, / deren Mannigfaltigkeit
die induktiven Wissenschaften allerdings niemals ausschöpfen wer-
den, und die Weise der Auffassung.
Ein grundsätzlicher Irrtum wäre es auch, zu glauben, daß die
n e u e u r o p ä i s c h e , a u f k l ä r e r i s c h e W i s s e n s c h a f t ,
welche mechanistisch, verstandesmäßig und technologisch eingestellt
ist, in allen Stücken die Überlegenheit über die auf einem irrationa-
len und magischen Kerne beruhende Wissenschaft anderer Zeiten
und Kulturen besitze.
Schrifttum
im Sinne der universalistischen Auffassung fehlt fast ganz, da
die meisten Verfasser von einem mechanischen U m w e l t b e g r i f f oder einem
kritiklosen materialistischen, m a r x i s t i s c h e n Standpunkte (Wissenschaft =
„Überbau“;
Wirtschaft
=
„Unterbau“)
oder
einem
d a r w i n i s t i s c h e n
Standpunkte ausgehen. Letzterer, für den der früher berührte „Pragmatismus“
1
ein Beispiel bietet, ist für die gesamte naturalistische Gesellschaftslehre grundlegend
geworden, so z. B. auch für W i l h e l m M a x W u n d t : Elemente der Völ-
kerpsychologie, Grundlinien einer psychologischen Entwicklungsgeschichte der
Menschheit, 2. Auflage, Leipzig 1913, indem er die Zustände primitiver Völker von
vornherein als psychogenetische Vorstufe der höheren Zustände ansieht. — Sehr
vom Marxismus durchsetzt ist Max S c h e l e r s Buch: Die Wissensformen
und die Gesellschaft, Probleme einer Soziologie des Wissens, Leipzig 1926.
Gute Gesichtspunkte entwickelt dagegen A r i s t o t e l e s : Metaphysik, ins
Deutsche übertragen von Adolf Lasson, Jena 1907, I. Buch (A) 1—3, Seite 6—14,
indem er die Selbständigkeit der Wissenschaft in ihrem Verhältnis zur Erfah-
rung glücklich hervorhebt. — Gegen Empirismus und Relativismus vergleiche
Platons „Theaitetos“, Kantens „Prolegomena“, Hegels „Enzyklopädie.“
2
Wir haben durch ausführlichere Behandlung der Wissenschaft
ein Begriffsschema aufgestellt, das auf die übrigen Teilganzen ange-
wendet werden kann, so daß diese nun zum Vorteile der Kürze die-
ses Buches knapper behandelt werden dürfen.
1
Siehe oben S. 334 f.
2
Über Vorranglehre siehe unten S. 426 ff.