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rang des Standes, die bewußt-individualistische Auffassung zur Nichtorgani-

sierung.

Den handelnden Stand in seiner Eigenschaft als organisierten,

etwa gleich einer Zunft, einer Gesamtgewerkschaft, wollen wir

„ z ü n f t i g e n S t a n d “ nennen. Die zünftigen Stände kann man

nach waagrechter und senkrechter Richtung einteilen. Senkrecht er-

gibt sich der Stufenbau — nach Rangklassen oder „Standesstufen“

(z. B. Ungelernte, Gelernte, Qualifizierte, Werkmeister, oder: Mann-

schaft, Unteroffiziere, Offiziere); waagrecht ergibt sich die Zu-

sammenfassung gleicher Stufen (Rangklassen) bei verschiedenen

Ständen zur „Standesgruppe“. (Zum Beispiel bilden König, Papst,

Präsident des Freistaates als Oberhäupter eine gleichartige Gruppe.)

3.

Die S t a n d e s b i l d u n g

Die theoretische Frage des Entstehungsgrundes der Stände ist im

i n d i v i d u a l i s t i s c h e n Sinne durch den oben entwickelten

Begriff der Klasse als primär wirtschaftlicher Erscheinung bereits

entschieden. Die Klasse entstünde danach durch die mechanische

Entwicklung der Wirtschaft (beziehungsweise Technik!). Bündig

sagt dies Marx im „Elend der Philosophie“: „Die Handmühle ergibt

eine Gesellschaft mit Feudalherren; die Dampfmühle eine Gesell-

schaft mit industriellen Kapitalisten.“

1

Alt- und Neumarxisten, so

Friedrich Engels, Karl Kautsky, Achille Loria, haben denn auch

den Tod Christi auf Golgatha und das ganze Christentum, den

Kampf der Welfen und Ghibellinen, die Kreuzzüge, die Reforma-

tion, die Französische Revolution auf wirtschaftliche Klassengegen-

sätze zurückgeführt.

/

Auch abgesehen vom Klassenbegriff selbst fordert der Grund-

gedanke der materialistischen Geschichtslehre, wonach die Wirt-

schaft das Erste der Gesellschaft (ihr „Unterbau“) ist, und dieses

Erste wieder ein Materielles, das nach Naturgesetzen wirke, daß die

Klassenbildung eine rein wirtschaftsgesetzliche sei, wie sich denn

auch die klassenlose Gesellschaft der kommunistischen Zukunft auf

diesem Wege von selbst bilden soll.

1

Karl Marx: Das Elend der Philosophie, Antwort auf Proudhons „Philo-

sophie des Elends“, deutsch von Eduard Bernstein und Karl Kautsky, Stuttgart

1885, S. 101.