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Nur dort, wo sich diese drei Umstände ungefähr wiederholen, sehen wir denn
auch in der Geschichte ähnliches vor sich gehen, z. B. im früheren Verhältnis
der Türken zu den slawischen Balkanvölkern, wo durch Übertritt zum Islam
eine starke Entnationalisierung auch bei Sprachfremdheit eintritt. Dagegen haben
die Römer den Kelten und Germanen gegenüber nicht auf diese Weise ihr
Volkstum ausgedehnt (dazu fehlte neben dem ersten vor allem das dritte Ele-
ment), sondern durch Kolonisierung und staatlichen Zusammenhang.
Da uns heute die Eine Bildungssprache fehlt, sind trotz der un-
vergleichlich gesteigerten Innigkeit und Technik des geistigen Ver-
kehrs die einzelnen Sprachkreise in ihrem Kulturleben mehr auf
sich angewiesen und voneinander abgeschlossen als im Mittelalter.
Ergibt sich aus dem Bisherigen, daß die örtliche Grenze des Um-
kreises der Volkstumsbildung im wesentlichen durch die Verbrei-
tung der Sprache gezogen wird, so folgt eben daraus, daß eine
strenge, fest geschlossene Grenze damit noch nicht gegeben ist. Das
V o l k s t u m i s t a u c h i n b e z u g a u f s e i n e n ö r t -
l i c h e n U m k r e i s a l s G r a d b e g r i f f a n z u s e h e n . Die
örtliche Begrenzung ist fast nie streng gezogen, der zur völkischen
Gemeinschaftsbildung führende Gedankenaustausch hört auf keinem
Kulturgebiete plötzlich auf. Es ist wie ein Wasser, das zuerst in
Sumpfland und dann erst allmählich in festes Land übergeht. An
allen Sprachgrenzen sind viele Menschen ganz zweisprachig, auch im
Binnenlande können viele Menschen mehrere Sprachen. Ferner:
Jeder französische Roman, den wir lesen, jedes Ergebnis französi-
scher Forschung, das in den festen Schatz unserer wissenschaftlichen
Erkenntnis übergeht, vergemeinschaftet uns mit jenem andern
völkischen Kreise. Solche Durchbrechung der Grenzen an noch so
vielen einzelnen Punkten hat aber allerdings wenig zu sagen. Denn
wie die Grenzen sich auch verwischen, die Arten können es nicht.
Zeigt sich die Sprache nur als das beherrschende, nicht als das ausschließ-
liche Mittel der völkischen Gemeinschaftsbildung, so werden nun (durch diese
abermals gradmäßige Fassung des Volkstumsbegriffes) a l l e j e n e A u s n a h -
m e f ä l l e v e r s t ä n d l i c h , w e l c h e d i e t h e o r e t i s c h e n B e g r i f f e
ü b e r d a s W e s e n d e s V o l k s t u m s s t e t s v e r d u n k e l t h a b e n .
Diese Ausnahmen sind: verschiedenes Volkstum bei gleicher Sprache, gleiches
Volkstum bei verschiedener Sprache. Von den letzteren Fällen haben wir die
Rhätoromanen in der Schweiz, die Basken in Spanien, die Bretonen in Frankreich
kennengelernt, Gruppen, die sich überall trotz eigener Sprache in den anderen
nationalen Verband eingliedern. Wie ist dies möglich? Es ist nur dadurch
möglich, daß i h r e G e b i l d e t e n a l l e d i e S p r a c h e d e s W i r t s -
v o l k e s b e h e r r s c h e n u n d i n d e s s e n G e m e i n s c h a f t o h n e
e i g e n e n g e n ü g e n d e n G r u n d s t o c k v ö l k i s c h e r B i l d u n g s -