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A. Die G e s c h i c h t e

Der Streit, ob es geschichtliche Gesetze gibt, soll hier nicht be-

rührt werden. Die Frage ist für uns nur, ob die Zusammenhänge,

welche die Geschichte aufdeckt, überhaupt ursächlicher Art sind. Die

üblichen Redensarten scheinen dies zu bestätigen — so wenn man

sagt: „Die Schlacht bei Waterloo war die Ursache für den Zusam-

menbruch des Napoleonischen Staates“, „die Ermordung Cäsars war

die Ursache eines neuen Bürgerkrieges“. Wie steht es damit?

Wer näher zusieht, merkt wohl, daß das Wort „Ursache“ hier keine natur-

wissenschaftliche, sondern nur übertragene Bedeutung hat. „Die Umdrehung der

Erde um ihre eigene Achse ist die Ursache von Tag und Nacht“ ist ein Satz,

welcher „Ursache“ nicht im Sinne eines s i n n v o l l e n , l o g i s c h e n , g l i e d -

l i e h e n Zusammenhanges faßt, sondern als äußere Aufeinanderfolge der Er-

scheinungen B auf A, als die ohne Sinnbezug, ohne Logik eintretende, also nur

t a t s ä c h l i c h , nur mechanisch eintretende Aufeinanderfolge! Sollen die

Schallwellen, die von der Schlacht bei Waterloo vielleicht bis Paris dringen, dort

das Reich Napoleons erschüttert und ins Wanken gebracht haben? oder soll das

bei der Ermordung des Cäsars fließende Blut die Bürger Roms ähnlich verrückt

gemacht haben, wie man es etwa durch chemisch wirkende Gifte hervorbringen

könnte? — Vorgänge solcher Art allein wären doch ursächlich im echten, im

naturwissenschaftlichen Sinne. Doch davon ist keine Rede. Die Schlacht bei Water-

loo und die Ermordung Cäsars waren sinnvolle, zum Beispiel nationale, politische,

logische G r ü n d e , d i e i n d e n p o l i t i s c h e n G a n z h e i t e n j e n e r

Z e i t d e n C h a r a k t e r v o n G l i e d e r n b e s t i m m t e r A r t e r -

l a n g t e n ; Gründe von Handlungen, die als soziale Glieder gesehen „Revolu-

tion“, „Abdankung“ und so weiter genannt werden. Kann es im Grunde doch

stets nur

(1)

um sinnvolle Handlungen der maßgebenden Personen in der Geschichte

gehen! Also stets nur um Verknüpfungen sinnvoll-gliedlicher (zum Beispiel logi-

scher) Art, um Zusammenhang nach der Art von „Prämisse-Konklusion“, um

Begriffsgründe, niemals um Seinsgründe, niemals um Ursachen, so wenig wie es

sich um die Chemie des Pulvers handelt, nach welcher die Kanonen in Waterloo

losgingen, um die Gesetze des Stoßes, der Festigkeit und Elastizität, nach welchen

die Dolche der Verschwörer das Blut Cäsars vergossen. — Es kann sich in der

Geschichtswissenschaft

(2)

nur darum handeln, daß das, was nach sinnvollem Handeln, aus Begriffs-

gründen, geschieht, den C h a r a k t e r d e r G l i e d h a f t i g k e i t i n d e n

b e t r e f f e n d e n g e s c h i c h t l i c h e n G a n z h e i t e n e r l a n g t e . Nach

welchen sinnvollen Gründen Napoleon die Farbe seines Briefpapiers wählte oder

andere „private“ Handlungen vollzog, fesselt den Geschichtsschreiber nicht —

warum? W e i l d i e s e H a n d l u n g e n n i c h t d i e B e d e u t u n g e i n e s

G l i e d e s i n d e r g e s c h i c h t l i c h e n G a n z h e i t „ S t a a t s w e s e n “ ,

„ K a i s e r r e i c h “ , „ Z u s a m m e n b r u c h d e s K a i s e r r e i c h e s “ e r -

l a n g t e n . Wenn sich aber zeigte, daß jene Wahl des Briefpapiers Glied in

der Ganzheit „merkantile Förderung des einheimischen Papiergewerbes“ wäre,

dann würde die Wirtschaftsgeschichte sie beachten. (Siehe Washingtons Baum-

wollkleidung.)

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