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Sittlichkeit, für entstehendes Unrecht und Verbrechen doch auf ge-

sellschaftlichem Gebiete, und müssen diese Ursachen daher nicht

doch gesellschaftswissenschaftlich erforscht werden?

Die Frage ist aber hier dieselbe wie in der Geschichte. Denn es kann sich

nur darum handeln, die „Ursachen“ der Entstehung dieses und jenes „Rechts-

satzes“, Gesetzbuches, Sittengebotes sowie ihrer Übertretungen zu erforschen.

Diese „Ursachen“ sind aber — Gründe, Begriffsgründe, Glieder in Ganzheiten.

Wie dort nicht die Chemie des Pulvers von Waterloo das Denken beschäftigt,

sondern die sinnvolle Verknüpfung der Handlungen und deren gliedliche Natur

im Zusammenhange der betreffenden Ganzheiten („Abdankung“ nicht als Fami-

lienereignis, sondern als Glied in der Ganzheit „Zusammenbruch des Reiches“);

so auch hier nicht die Physiologie des Hungers, die Chemie der / Magensäfte,

sondern die sinnvolle Verkettung der Gründe zu Handlungen, wie „Diebstahl“,

„Raub“, beziehungsweise die gliedliche Bedeutung dieser Handlungen in der

systematischen Ganzheit der Rechtssätze, der Moralsätze oder auch der wirt-

schaftlichen Handlungen, staatlichen Handlungen. Ergebnis: Das Wesen der

Rechtsbildung, Rechtsverletzung und so fort als s o z i a l e r E r s c h e i n u n -

g e n liegt nicht in psychologischen, biologischen und anderen Ursächlichkeits-

ketten, sondern in Vorgängen, die als Umgliederung, als Neuordnung von Ganz-

heitsverhältnissen sich darstellen.

Als einen besonderen Fall hebe ich hier noch heraus:

D. Die S t a a t s t h e o r i e

obwohl diese keine selbständige Wissenschaft ist, sondern Teil

der allgemeinen Gesellschaftslehre. Bei ihr ist es besonders klar, daß

sie keine mechanisch-ursächlichen Zusammenhänge nach Art der

Physik aufdecken kann. Sofern sie die Gliederung bestimmter

Ganzheitstypen darstellt, wie die des monarchischen Staates, des

demokratischen und so fort, liegt das auf der Hand. Lediglich Glie-

derbau und Glied sind hier der Gegenstand der Wissenschaft. (Kö-

nig, Parlament, Gerichtshof als Glieder.) Aber auch bei der Unter-

suchung der „Eigenschaften“ dieser Ganzheiten kann sie zu Ursäch-

lichkeiten nicht gelangen. Sätze wie „die absolutistische Staatsform

hat die Eigenschaft...“, „die demokratische Staatsform hat die

Eigenschaft...“ sagen nicht, daß eine mechanisch-ursächliche Wir-

kungsweise von Monarchie und Demokratie vorliegt, sondern daß

sich in jenen Staatsformen und den in ihnen gegebenen Gliederun-

gen bestimmte Ganzheiten („Militarismus“, „Klerikalismus“) be-

sonders ausgebildet finden; oder allgemeiner gesagt: daß sich von

bestimmten Staatsformen aus Gründe für spezifische Gliederungen