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Den A l l g e m e i n b e g r i f f „Staat“ denkt man nicht, in-

dem man von individuellen Eigenschaften der Staaten, der Organe,

der Bürger „absieht“ (da hätte man viel zu tun); sondern indem

man die b e s t i m m e n d e

A u s g l i e d e r u n g s t a t , das

Bildungsgesetz des Staates denkt (wie es sich z. B. im Bau seiner

Glieder: Gesetzgebung — Verwaltung; König — Beamte — Bürger

ausspricht, nämlich als besondere „Organisation“, „Höchststand“

und so fort), die anderen Eigenschaften aber in Schwebe hält. Da-

durch sind sowohl die Unterarten „ständischer Staat“, „demokrati-

scher Staat", wie die Einzelheiten „Deutsches Reich Ottos I.“,

„Athen des Demosthenes“ offengehalten, der Anlage nach mitent-

halten, aber allerdings nicht ausgesprochen. Warum? Weil die höhere

Ganzheit „Staat“ (allgemein), nicht eine geschichtlich bestimmte

Unterstufe „Athen des Demosthenes“ (einzeln) gemeint war! G e h e

i c h a b e r z u m „ A t h e n d e s D e m o s t h e n e s “ ü b e r ,

s o s e t z e i c h d e s s e n b e s t i m m e n d e A u s g l i e d e -

r u n g s m e r k m a l e u n d h a l t e d a f ü r j e n e d e s a l l g e -

m e i n s t e n

B e g r i f f e s

„ S t a a t

ü b e r h a u p t “

i n

S c h w e b e . Es sind also nicht sowohl neue Merkmale „hinzuge-

kommen“ als vielmehr hervorgetreten — wofür aber alte in

Schwebe gesetzt, zurückgesetzt wurden. Es ist kein Mehr an Merk-

malen, sondern es sind Merkmale anderen Stufenwertes, was hier

in Frage steht.

Noch ein Beispiel für den E i n z e l b e g r i f f . Denkt man den

einzelnen Menschen für sich, so kann man auch das nur dadurch

tun: daß man S t a a t u n d G e m e i n s c h a f t n i c h t

w e g l ä ß t — das täte der Individualismus —, sondern sie als be-

stimmend und mitenthalten mitdenkt — jedoch im Schwebezu-

stande, der Anlage nach. Indem man Mozart mit dem Requiem,

Eichen- / dorff mit seinen Naturliedern denkt, denkt man ein Ein-

zelnes, in dem aber Allgemeines, höhere Ganzheit („musikalische

Kultur Deutschlands jener Zeit“, „deutsche Romantik“) mitenthal-

ten ist, dabei aber in Schwebe bleibt.

sifikation ein naturgesetzlicher Allgemeinbegriff sei. Wilhelm Windelband:

Präludien. Sammlung von Aufsätzen und Reden zur Einleitung in die Philoso-

phie (1883), 7. und 8. Aufl., Tübingen 1921, S. 146.