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dient daher nicht der „Bildung naturwissenschaftlicher Gesetzesbegriffe“, sondern
der vertieften und vollständigen Erkenntnis des Gliederbaues der Gattungen und
Arten.
Daraus ist es verständlich, daß das v e r g l e i c h e n d e V e r f a h r e n
s o w o h l d e r t h e o r e t i s c h e n w i e a u c h d e r g e s c h i c h t l i c h e n
F o r s c h u n g d i e n t . Wie wäre z. B. die theoretische Sprachwissenschaft ohne
Vergleich der Sprachen, wie wäre selbst die tiefere Wirtschaftstheorie (sofern sie
sich über seichten Liberalismus erhebt) ohne Vergleich der Wirtschaften denkbar?
Schon die „Wirtschaftsbeschreibung“, Wirtschaftsstatistik ist ja nur vergleichend
möglich, sofern sie ihrem Sinne nach jeweils den gesamten Stoff der Gegenwart
umfassen will und sich nicht auf ein einziges, zufälliges Gebiet beschränken darf
1
.
Daraus wird weiter verständlich: daß das vergleichende Verfahren kein lo-
gisch selbständiges, kein tragendes Verfahren sein kann.
Als Beispiel diene die sogenannte Lehre vom „Ureigentum“, das heißt vom
Gemeineigentum am Ackerlande als allgemeinem Ureigentum in ältester Zeit, die
statt auf umfassender geschichtlicher Forschung auf bloßen Vergleichen und Ana-
logien gegründet war. Diese Lehre mußte schon wegen ihres verfahrenmäßigen
Grundfehlers scheitern. Deutlich zeigte dies G e o r g v o n B e l o w s Kritik in
seinem Aufsatze „Das kurze Leben einer vielgenannten Theorie“
2
. — Die Ge-
fahren des nur vergleichenden Verfahrens machen sich auch in der Völkerkunde
geltend, wo der Natur der Sache nach infolge des Mangels an Urkunden und an
Einblicken in die Vergangenheit die zeitliche Verfolgung der Ereignisse und der
Entfaltung der Kultur zurücktreten muß.
Nach allem Vorherigen ergeben sich als die echten Gegenüber-
stellungen der Logik nicht jene oben
3
genannten, wie sie aus dem
empiristisch-atomistischen Denken heraus aufgestellt wurden (All-
gemeines — Einzelnes; Gesetz—Einzelfall; nomothetisch—idiogra-
phisch usw.), sondern die folgenden
Gattung — Art (Exemplar);
Höhere Stufe — Niedere Stufe;
Ganzheit — Glied;
Übergeordnetes — Untergeordnetes;
Entfaltung — Entfaltungsstufe (im Zeitverlaufe verstanden, das
1
Vgl. z. B. meine Lehre von den „Grundgestalten der Wirtschaft“ in meinem
Buche: Tote und lebendige Wissenschaft (1921), 3. Aufl., Jena 1929, S. 353 ff.
[5. Aufl., Graz 1967, S. 323 ff.].
2
Zuerst 1903, jetzt wieder abgedruckt in Georg von Below: Probleme der Wirt-
schaftsgeschichte (1920), 2. Aufl., Tübingen 1925, S. 1 ff. Vgl. dazu ferner Erich
Rothacker: Logik und Systematik der Geisteswissenschaft, Handbuch der Phi-
losophie, Teil II, München 1926, S. 96 ff. und 100 ff.
3
Seite 228 f.