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Immer ist es ein und dasselbe Denken, das uns begegnet. In je-

dem Denkakte, in jedem Begriffe ist sowohl das Höhere wie das

Niedere mitgedacht, ist jeweils ein Konkretes mit verschiedenem

Stufenwerte gegeben. Die jeweilige Ausgliederungsfülle und Aus-

gliederungsmacht sind es, welche die Merkmale der höheren wie der

niederen Ganzheiten bezeichnen. Die Ganzheit soll nicht nur ein-

geteilt, sondern als t ä t i g aufgezeigt werden.

Daher nennen wir die Gattung oder die höhere Stufe in ihrem

Verhältnisse zur niederen Stufe das b e f a s s e n d e o d e r e r -

z e u g e n d e A l l g e m e i n e und stellen diesen Begriff dem ab-

s t r a k t A l l g e m e i n e n oder leeren und ohnmächtigen Allge-

meinen der empiristisch-nominalistischen Logik gegenüber. Die je-

weils niedere Stufe erscheint als das befaßte, ausgegliederte oder

e n t h a l t e n e B e s o n d e r e , nicht aber als das für sich Beson-

dere, Getrennte, Ungliedhafte oder Reineinzelne

1

.

In der

aristotelischen, scholastischen, neuscholastischen Logik,

die bekanntlich,

von der Gattung ausgehend, durch die stufenweise Hinzufügung des artbildenden

Unterschiedes, der „differentia specifica“, die Unterarten und Einzelwesen be-

stimmt; ferner in der S c h e l l i n g - H e g e l i s c h e n L o g i k sind die oben

entwickelten Gedankengänge durchaus vorhanden. Sie wurden aber, da der Be-

griff der Ganzheit nicht planmäßig verfolgt wurde, nicht überall in voller Klar-

heit festgehalten und angewandt. S c h o n d i e V o r s t e l l u n g d e s „ H i n -

z u t r e t e n s “ e i n e r „ d i f f e r e n t i a s p e c i f i c a “ i s t n i c h t g l ü c k -

l i c h — denn diese muß ja in der höheren Stufe angelegt, vorgesehen sein

(bleibt aber dort noch in Schwebe)!

Sie tritt also nicht „hinzu“, sondern heraus,

wofür anderes hinein- oder zurücktritt. Es ist die Fortgliederung, die H e r a b -

g l i e d e r u n g des höheren zum niederen Ganzen, welche die differentia speci-

fica also nur a n z e i g t. Damit erscheint aber das Allgemeine sowohl als das

Erzeugende, Ausgliedernde wie auch notwendig als ein jederzeit Konkretes. So

auch bei A r i s t o t e l e s , trotzdem dort der Fehler hinderlich wurde, nur das

Einzelwesen für wirklich, das heißt konkret zu erklären

2

. (Darum bei Aristote-

les die Schwierigkeit gewissen nominalistischen Gedankengängen gegenüber,

z. B. in der Psychologie

3

.)

Bei H e g e l findet sich der Begriff des realen oder erzeugenden Allgemeinen

als der Gattung klar entwickelt

4

; aber indem seine „Logik“ mit dem Begriff des

1

Siehe oben S. 229 ff.

2

Die Nachweise vgl. bei Mathias Kappes: Aristoteles’ Lexikon, Paderborn 1894,

S. 42 f.

3

Ebenso in der Neuscholastik. Vgl. z. B. Otto Philipp Willmann: Psychologie,

3. und 4. Aufl., Freiburg 1913, S. 27 ff., wo ebenso mit der sinnlichen Empfin-

dung begonnen wird wie in der empiristischen Psychologie und Logik. E i n e

g a n z h e i t l i c h e P s y c h o l o g i e m u ß v o n o b e n h e r a b s t e i -

g e n , s i e d a r f n i c h t v o n u n t e n h i n a u f s t e i g e n .

4

Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wis-

senschaften im Grundrisse (1817), § 163 ff. (= Philosophische Bibliothek, Bd 33).