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Zusatz über die esoterische Bedeutung des Namens

Welche besondere Bedeutung der Name in der Religionsgeschichte hat, ist all-

bekannt. Nicht nur in Grimms Märchen bedeutet Kenntnis der Namen die

Fähigkeit, Menschen und Geister durch Aussprechen ihres Namens zu beherr-

schen und zu bannen. („Bin ich froh, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen

heiß.“) Daher die Einrichtung der Geheimnamen, welche ihre Träger dem Einfluß

anderer entziehen sollten. Die Benennung der Toten im ägyptischen Totenbuch

als „Osiris NN“ soll bezeichnen, daß der Tote die „osirianische Unsterblichkeit“

erreichte

1

. In der B r i h a d a r a n y a k a-Upanischad ist „das Unsterbliche am

Menschen der Name“

2

.

Der Ursprung dieser großen Rolle des Namens ist ebenfalls in der Mystik zu

suchen. Wir wiesen schon auf die mystischen Übungen hin, welche das Wort, das

Aussprechen, zum Gegenstand haben. Das Wo rt ist s c h ö p f e r i s c h . Es

ist auch die Vollendung des geistigen Schaff ensvorganges: Erst wenn der Gedanke

im Wort konkretisiert und dieses ausgesprochen ist, ist er ein vollends bestimm-

ter, gestalteter Gedanke.

Diesen Tatbestand v e r ä u ß e r l i c h t der in der Geschichte bekannte Kul-

tus des Namens. Das letzte Aussprechen des Wortes, die Namensnennung be-

zeichnet nach diesem Standpunkt nicht mehr die mystische Schöpferkraft Gottes,

auch nicht ursprüngliche, rein geistige Kraft denkerischer und künst- / lerischer

Erleuchtung, sondern in mehr mechanischer Weise soll nun das Wort, der Name

jene Kraft sein, durch welche ein Ding überhaupt geschaffen wird

3

.

C.

B e g r ü n d u n g d e r S i t t l i c h k e i t d u r c h

d i e M y s t i k

Man sagt wohl, die Mystik verliere bei ihrer Innenschau den

Zusammenhang mit der Wirklichkeit; sie sei daher einerseits welt-

fremd, andererseits verfalle sie leicht in Subjektivismus, ja Liber-

tinismus und Amoralität. Nun, akzidentiellerweise kann das ge-

schichtlich zutreffen, dem reinen Wesen der Sache nach ergibt sich

das Gegenteil: von der Mystik geht die tiefere, ursprüngliche Be-

gründung der Sittlichkeit aus.

1

Hans Ostenfeldt Lange, in: Alfred Bertholet und Eduard Lehmann: Lehr-

buch der Religionsgeschichte, Bd 1, 4. Aufl., Tübingen 1925, S. 467.

2

Paul Deussen: Sechzig Upanishads des Veda, 2. Aufl., Leipzig 1905, S. 431. —

Brihadâranyaka-Upanishad 3, 2, 12: „Wenn dieser Mensch stirbt, was verläßt ihn

dann nicht? — Der Name, denn unendlich ist der Name...“, das heißt der

Name ist Wescngebung.

3

Uber die m a g i s c h e B e d e u t u n g des Namens siehe unten S. 245 f. —

Uber die k o n k r e t i s i e r e n d e B e d e u t u n g d e s E x o t e r i s c h e n

als Verhüllung mystischer Esoterik für die Religion siehe unter Magie, unten

S. 234 ff.