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dies die Geistesverwandtschaft mit ihm geweckt und dadurch auch ein objektives
Entsprechungsverhältnis hergestellt.
Von der Versenkung aus ist also auch die andere Seite des
Zaubers, die Entsprechung, Sympathie, Zeremonie insofern zu ver-
stehen, als mittels derselben eine Welt immaterieller Zentren, mit
denen ein Rapport herstellbar ist, nicht mehr als Aggregat, Kon-
glomerat, Mechanismus, sondern als Ganzheit erscheint und als
solche behandelt wird. Schon Platon lehrte, daß die Welt ein ein-
ziges großes Gesamtlebewesen sei (Timaios 30 e). Ist sie aber ein
Lebewesen, dann ist sie auch eine Einheit, Ganzheit höherer
Ordnung.
Von diesem Einheitszusammenhang aller materiellen und gei-
stigen Wesen nun geht das äußere Werk des Zauberns seit alters-
grauen Zeiten aus, soweit wir es in der Geschichte verfolgen können.
Alfred Jeremias z. B. sagt, der Grundgedanke der altsumerischen
Kultur sei „die alles beherrschende Harmonie des oberen Seins
und Geschehens mit dem unteren Sein und Geschehen — Himmels-
bild gleich Weltbild, wie es Hugo Winkler formuliert hatte“
1
. Man
erkennt darin den bekannten Hauptsatz der Philosophie des Her-
mes Trimegistos, der sogenannten hermetischen Philosophie wieder:
„W ie o b e n s o u n t e n , w i e u n t e n s o o b e n.“ Und
Jeremias selbst führt dafür an:
Ascensio Jesaiae: „So wie droben ist es auch auf der Erde; denn das Abbild
dessen, was in dem Firmament ist, ist hier auf Erden“; und stellt dazu einen
„Germanischen Sang“:
„Aller Wunder sei geschwiegen,
Die Erde hat den Himmel überstiegen
Himmel ist unten, Erde oben,
Dies Minnewunder soll man loben
Als aller Wunder Wunderproben“
2
.
Für die Kabbala, welche in sehr frühe jüdische — vielleicht sogar
ägyptische — Zeiten zurückweist, gilt bekanntlich derselbe Grund-
satz der Entsprechung von „oben und unten“ und für das gesamte
magische Schrifttum seit der Renaissance ist er ebenfalls selbstver-
ständlich
3
.
/
1
Alfred Jeremias: Handbuch der altorientalischen Geisteskultur, 2. Aufl.,
Berlin 1929, S. 4.
2
Alfred Jeremias: Handbuch der altorientalischen Geisteskultur, Leitspruch.
3
Nachweise dafür bei Will-Erich Peuckert: Pansophie, Stuttgart 1936; sowie
bei Karl Kiesewetter: Geschichte des neueren Okkultismus, 2. Aufl., Leipzig 1909.