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2.
Da eine Religion ohne Kultus und Gebet nicht möglich ist, fragt
es sich, wie sich das geläuterte Gottesbewußtsein in Kultus und Gebet
auswirkte.
Nach anfänglichem Schwanken bildete sich als Kern des K u l -
t u s bekanntlich das katholische Meßopfer heraus. Später übten die
protestantischen Bekenntnisse einen noch weit einfacheren Kultus.
Der Kultus beider Bekenntnisse bildet aber die Erlösungstat Christi
ab und wurde spirituell (Weltordnung = Kulturordnung — Rechts-
ordnung)
1
.
Ebenso wichtig wie der Kultus ist das G e b e t . An die Stelle des
heidnischen Götterzwanges, der Beschwörungen, der unzähligen An-
rufe und Bitten der Heiden an Götter, Halbgötter, Dämonen, Gei-
ster und Tiere trat nun ein verinnerlichtes Gebet, beherrscht von
e i n e m Haupt- und Grundgebet, welches der Stifter des Christen-
tums selber lehrte, dem Vaterunser. Dieses bittet im ersten Teil um
die Teilnahme am Reich Gottes bei Ergebung in Gottes Willen, im
zweiten um das tägliche Brot — welches aber mystisch als das „über-
wesentliche Brot“ erklärt wird
2
— und um Vergebung der Sünden,
soweit wir selbst anderen vergeben. Dieses Gebet führt den höchsten
geistigen Begriff von der Gottheit durch, ohne doch den Menschen
von ihr zu entfernen, wie es in manchen mystischen Tendenzen liegt,
sofern sie nämlich alles Kreatürliche hinter sich lassen; auch ohne den
Begriff Gottes zu vernichten, wie es pantheistische Richtungen tun.
Es faßt die Bedürfnisse unseres Lebens in einen kurzen Inbegriff zu-
sammen, der dem höheren und dem niederen Geist gleich sehr ge-
nügt.
/
Christus lehrte damit, wie sein Wort, Gott im Geist und in der
Wahrheit anzubeten, durchzuführen sei.
3.
Aus dem neuen Aufblick zum Ewigen, den Christus die Mensch-
heit lehrte, ergab sich auch eine neue Auffassung vom Leben und
seinen Pflichten, eine neue S i t t e n l e h r e. Es ist der Geist der
Gottesliebe, welcher aus dem neuen Verhältnis zu Gott folgt, daraus
wieder der Geist der Menschenliebe und der Vergebung. Die Gottes-
liebe wird, so betrachtet, gleichsam zum heimlichen Quellpunkt der
Sittlichkeit. (Vergottung zugleich ein Liebeswerk.)
1
Vgl. oben S. 270 ff.
2
Vgl. Meister Eckehart: Lateinische Schriften, deutsch von Ernst Benz, Bd 5,
Stuttgart 1937, S. 118.
26 Spann, Religionsphilosophie