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von Gottes Mund ein Band in Marias Ohr läuft, auf dem das Kind
in das Ohr der Maria hinabsteigt“
1
.
Wir unterbrechen hier unsere Erläuterungen und bemerken, daß
sich zwar Johannes nicht darüber ausdrücklich äußert, inwieweit das
Wort den Inbegriff der Schöpfergedanken Gottes, das heißt also zu-
letzt die innergöttliche I d e e n w e l t im platonischen Sinn, dar-
stelle, daß aber in der späteren Wendung „alles ist durch das Wort
gemacht“ (1, 3) wohl ein Hinweis darauf erblickt werden dürfe;
daher auch nicht zufällig die ältesten Kirchenväter sich dem Plato-
nismus zuwandten. Wieweit ferner die durch das Wort geschaffene
Welt noch innergöttlich, also noch Ideenwelt ist, wieweit schon
außergöttliche Welt — das ist eine andere Frage, die der Anfang
noch nicht berührt.
Kehren wir zum Evangelium zurück, so finden wir die weiteren
Sätze, die sich an das „Im Anfang war das Wort“ reihen, nunmehr
unschwer verständlich. Sie lauten:
1,1 „ ... und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“
2.
„Dasselbe war im Anfang bei Gott.“
3.
„Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht und ohne dasselbe
ist nichts gemacht, was gemacht ist.“
4.
„In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der
Menschen.“
Zu 1,1: Wenn Gott im Anfang durch das Wort schafft, so ist:
„im Anfang das Wort“ und dieses Wort allerdings (1,1) „ b e i
G o t t “ ; und da es Gott ist, der durch das Wort schafft, ist zu-
gleich Gott selbst das Wort. Daher (1,1): „ u n d G o t t w a r d a s
W o r t “ ; was 1,2 zusammenfaßt: „ D a s s e l b e w a r i m A n -
f a n g b e i G o t t.“
Die Abfolge: „im Anfang war das Wort“;
„und das Wort war bei Gott“ (denn es war Gottes Wort);
„und Gott war das Wort“ (denn Gott selber war es doch, der es
sprach) — ist demnach völlig klar, nimmt man es nur buchstäblich
im Sinn der Mystiker mit ihren Wortübungen.
Indem wir weitergehen, drängt sich uns die Frage auf, inwiefern
das Wort etwas für sich, etwas Selbständiges sei. Nach menschlicher
1
Alfred Jeremias: Die Bedeutung des Mythos für das apostolische Glaubens-
bekenntnis, Leipzig 1930, S. 31.