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letzteren gehört aber gediegene logische und philosophische Schu-
lung, damit man das scharfe Auge für die methodologische Aus-
deutung und für die entscheidende Wichtigkeit aller Verfahrenfragen
erhalte, nicht aber im überkommenen platten Positivismus stecken
bleibe.
Wer mich hier Schritt für Schritt überprüfen und widerlegen will,
dem stehe ich gern zur Verfügung. Wer aber das Analytische über-
springt und gleich bei den letzten Ergebnissen, „das Ganze ist vor
dem Teile“, anfangen will; oder wer sich über die methodologische
Verschiedenheit zwischen mechanischer Ursächlichkeit und den ihr
entgegengesetzten Auffassungsweisen (sei es teleologisch, sei es
ganzheitlich) nicht klar ist, der macht eine fruchtbare Auseinan-
dersetzung unmöglich.
Ich antworte also immer wieder, daß meine Theorie eine rein
analytische ist und daß ich darüber, ob jene Ganzheiten „metaphy-
sische Wesenheiten“ seien oder nicht, in der Soziologie gar nichts
auszusagen habe. In meiner „Kategorienlehre“, die eine philosophi-
sche Grundlegung, nicht eine soziologisch-analytische Theorie ist,
habe ich allerdings den ontologischen Sinn der Ganzheit behauptet
und glaube, ihn auch bewiesen zu haben. Aber das ist und bleibt
eine Sache für sich. In der Soziologie stehe ich auf einem andern
Boden, dem der Analysis. Wenn jemand die „Ganzheit“, die aus
Gezweiung und Gliedhaftigkeit der Erscheinungen a n a l y t i s c h
zu folgern ist, nachher p h i l o s o p h i s c h , also außerhalb der
Gesellschaftslehre, nur als „Geltungszusammenhang“ oder als
„regulative Idee“ oder als „intentionale Gegenständlichkeit“ oder
endlich als ontologische Wesenheit oder wie immer sonst bestimmt,
geht das die Gesellschaftslehre grundsätzlich nicht mehr an. Diese
Entscheidung fällt in die erkenntnistheoretische und ontologische
Erörterung.
Damit ist allerdings bewiesen, daß eine echte Geisteswissenschaft,
wie sie die Gesellschaftslehre ist, nicht so unphilosophisch betrie-
ben werden kann, als es bisher geschah, ferner, daß der Satz „Sozio-
logie ist eine Geisteswissenschaft“, seine Verfechter auch in der
Folge vor philosophische Aufgaben stellt. Aber die philosophische
und die rein analytisch-soziologische Untersuchung bleiben trotz-
dem reinlich geschieden.