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chaotischen Grundes, auf dem sie sich erhebt; die Lehre von der
geistigen Dialektik des Seins; die Lehre vom Wesen des mensch-
lichen Gemeinschaftslebens und der Tugend — sie alle sind aus der
Tiefe geschöpft und für die Ewigkeit geschaffen. — Dies bedacht,
versteht man, daß Platon nach dem Christentume die größte geistige
Macht des Abendlandes wurde“ (Bd 13, 226).
B. M e i s t e r E c k e h a r t
Wenn Platons Würdigung durch Spann auf breite Zustimmung
stoßen dürfte, so kann dies von seinem Urteil über Meister Eckehart
wohl nicht gesagt werden. Von Rationalisten und Empiristen kann
ein Verständnis für einen Mystiker nicht erwartet werden. Und in der
Tradition der katholischen Philosophie steht der Ketzerverdacht noch
immer im Wege.
Eckehart hat die herrschende thomistische Philosophie seiner Zeit
übernommen. Seine Bedeutung liegt nicht in der philosophischen
Lehrgeschichte, sondern in seinem Verdienst um die mystischen
Grundlagen, aus denen nach der Auffassung Spanns jede wahre Philo-
sophie entspringt. Weil dem so ist und weil Thomismus (und Neu-
thomismus) aus Furcht vor zuviel Mystik und Universalismus sich
gegen diese mystischen Quellen sperrten und lieber den Nominalismus
riskierten, hat sich schon zu Lebzeiten Eckeharts der Nominalismus
durchgesetzt. Bald wurde die mystische Tradition als Erlebnisgrund
der Philosophie überhaupt aufgegeben.
Aus den innersten Notwendigkeiten seiner Philosophie heraus
mußte hier Spann eingreifen. Es wird nicht leicht zu entscheiden
sein, wie groß sein Anteil an der Wiederentdeckung Meister Eckeharts
ist. Spann hat in seinem „Philosophenspiegel“ das Werk Eckeharts als
das bedeutendste Beispiel einer mystischen Philosophie ausführlich
dargestellt und hat überdies ein Buch „Meister Eckeharts mystische
Philosophie“ verfaßt, das erst aus seinem Nachlaß mit einem Nach-
wort des bekannten Eckehart-Forschers Otto Karrer als Band 18 der
Gesamtausgabe veröffentlicht werden konnte. Auf diese Werke ist
zu verweisen.
Einführend aber soll an zwei Hauptgedanken der Lehre Eckeharts