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Ganzen selbst, um nachzuzeichnen, wie die Ganzheit dieses Gewebe
webt und schafft und sodann in sich befaßt und dadurch lebendig er-
hält. Ein solches Nachzeichnen erfolgt durch ein Herausheben der
Seinsweisen, der K a t e g o r i e n des Seins, und eben deshalb kann
das zugrunde liegende V e r f a h r e n auch nur ein ganzheitliches
sein. Seinskategorien und Verfahren bedingen einander. Daß ihnen
daher auch die Kategorien des Denkens entsprechen müssen, daß die
dabei angewandte L o g i k weder eine atomistische noch eine
assoziationsmechanische sein kann, sondern eine dem Welt- und
Geistesgefuge gemäße ganzheitliche Struktur aufzeigen muß, bedeutet
die Vollendung des philosophischen Systems, und zwar aus der Sicht
des Verfahrens. Dieses hat sich Spann aus der streng analytischen
Bestandsaufnahme der auf dem Gebiet der Statistik, der Volks-
wirtschafts- und Gesellschaftslehre Vorgefundenen Fakten und ihrer
wissenschaftlichen „Aufbereitung“ erarbeitet und damit zur metho-
dologischen Grundlage gemacht. Die durchwegs der Geisteswissen-
schaft zuzurechnenden Ergebnisse erschlossen ihm das innere Gefüge
des Geistes. Die wesenhafte Erkenntnis, daß die Welt des Geistes das
eigentliche Sein, die Natur aber dessen Entsprechung ist, daß dem-
nach Geistesgefuge = Weltgefuge, führte ihn zur systematischen Ab-
leitung der Seinskategorien und durch das Tor der K a t e g o r i e n -
l e h r e in das Zentrum der Philosophie. Nachdem er von hier aus
den gesamten Umkreis der philosophischen Bereiche durchmessen
hatte, lenkte ihn sein Weg am Schluß seines Lebens wieder in das
Zentrum zurück, zur Analyse des menschlichen Denkens, zu den
Grundweisen, nach denen der Geist „ v e r f ä h r t“, um sich seinem
Wesen gemäß entfalten, um überhaupt ein denkender sein zu können:
zur „ L o g i k “ . Dieses posthume Alterswerk ist nicht nur „die
Krönung aller verfahrenkundlichen Arbeiten Othmar Spanns“
2
,
sondern gleichsam auch deren „Rückverbindung“ in ihrem Ursprung.
K a t e g o r i e n l e h r e , L o g i k u n d V e r f a h r e n bilden
daher eine geschlossene Einheit, deren Glieder gegenseitig verschlun-
gen und ineinander verzahnt sind, wie sie nur in einer ganzheitlich an-
gelegten und diese Anlage bis in die letzten Einzelheiten durchhalten-
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Nachwort von Ulrich Schöndorfer zur „Ganzheitlichen Logik“, Bd 17, 297.