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Im Wesen des Stufenbaues liegt es, daß das Rückverbindende, die

selbst unausgegliederte Ganzheit, dem Gliede gegenüber das Seiende,

Beständige, das Unveräußerliche und Unverzehrbare ist, das Ausge-

gliederte hingegen das Hinfällige, Widerrufliche, das der Veränderung

Unterworfene. Die Weisen der U n v e r z e h r b a r k e i t des

Ganzen und der H i n f ä l l i g k e i t der Glieder bestimmen das

Wesensverhältnis der höheren und niederen Stufe.

Da das Ganze am Grunde der Glieder ist, der Stockwerkbau der

Ganzheiten sich aber als vielschichtig erweist, erstreckt sich dieses

Am-Grunde-Wirken durch alle Stufen, sodaß auch das Oberste am

Grunde des Untersten sein muß, und zwar ganz und ungeteilt. Am

Grunde jedes Eichenblattes ist die g a n z e Eiche als Entelechie

wirksam; aber auch die Lebenskraft der Gattung, der „Eichenheit“,

die Idee des Baumes und schließlich jene der Pflanze an sich, der

„Urpflanze“, sind es, die allen Stufen der Pflanzenwelt und damit zu-

letzt der einzelnen Pflanze und ihren Gliedern das Leben gewähren.

Am wenigsten aber darf die höchste Ganzheit, der sein Werk er-

haltende Schöpfergott, fehlen. Zöge er seine Hand vom Grunde seiner

Schöpfung zurück, sie müßte sogleich in ein Nichts versinken.

„Dürstete ein Mensch noch so sehr“, sagt Meister Eckehart, „er be-

gehrte keinen Trunk Wassers, wäre nicht ein Tropfen Gottes dar-

in“

12

. Dieses Enthaltensein, dieses Sein Gottes am Grunde jedes

Wesens, nennt die deutsche Mystik das „F ü n k l e i n“. Spann

baut diesen Begriff systematisch in die von der Kategorienlehre

nachgezeichnete Weltordnung ein: „ Da s

u n a u s g e g l i e -

d e r t e G a n z e h a t d i e W e i s e d e s F ü n k l e i n s o d e r

d e r U r m i t t e ; u n d d i e W e i s e d e r j e w e i l i g e n

k o n k r e t e n A u s g l i e d e r u n g s m i t t e o d e r d e s Z e n -

t r u m s “ (Bd 9, 228).

2. Fünklein und Abgeschiedenheit

Die Weise des Fünkleins als der Einwohnung Gottes in allen Ge-

schöpfen ist, weil ihr nach der ganzheitlichen Weltordnung das Bei-

sichbleiben des Schöpfers entspricht, frei von jedem Pantheismus.

12

Meister Eckhart, S. 143, Zeile 25.