Table of Contents Table of Contents
Previous Page  253 / 413 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 253 / 413 Next Page
Page Background

253

Diese Erkenntnis wird dann auf die Religionsgeschichte ange-

wandt, und es ergibt sich, daß „aus dem Wesen des Geistes selbst auf

die Urrehgion zu schließen“ ist (Bd 16, 349).

Wie war aber dieser Mensch, der als erster da ist und von dem wir

nicht wissen, wie er empirisch entstanden ist? Gestützt auf Über-

legungen der Mystik aller Zeiten, steht uns Spann den ursprünglichen

Menschen als einen „ekstatisch-somnambulen“ dar, der in „my-

stischem“ Zustand vorzustellen sei. Die Geistesgeschichte weist dar-

auf hin, daß jene erhöhten Seelenzustände möglich waren. Die ur-

sprünglichen Menschen hatten mehr Bezug zum Mystischen, sie

waren als Erstgeborene ihrem Ursprung noch näher, sodaß ihr Leben

in höchster Rückverbundenheit zu denken ist. Und diese Rückver-

bundenheit ist ja jener Zustand, in dem Gott in der Seele und die

Seele in Gott ist.

Damit verbunden ist auch ein ganz anderes Schauen der Dinge, ein

anderes Erkennen und Aufnehmen von Eindrücken.

Der Urmensch als mystisch-ekstatischer ist daher auch in höchster

mystischer Gotteserfahrung zu denken. Der Charakter dieser Gottes-

erfahrung prägt dann eine solch tiefe Rehgiosität, die wir heute

als monotheistisch bezeichnen. So muß am Anfang eine mono-

theistische Urmystik gestanden sein, meint Spann, weil das Magische

nur latent vorhanden war. Es steht aber fest, daß sich die Geburt

der Religion in der Mystik vollzog.

Die Ausgestaltung der Magie führte zu einem Absinken, und so

bestanden die niederen Formen der Rehgiosität n e b e n den

höchsten.

Die Offenbarung in der Rehgion ist nicht zu denken ohne die

Mystik. Da Gott bei dieser inneren Erfahrung in der Seele wirkt,

steht notwendig eine göttliche Offenbarung an der Spitze der Reli-

gion (Gottverwandtschaft des Menschen, Unsterblichkeit der Seele).

Wie die Offenbarung, so sind auch die Urelemente der Rehgion aus

der mystischen Erfahrung erklärbar.

Spann dehnt diese Erkenntnisse auch auf die anderen geistigen

Grundlagen der Kultur aus und behauptet, daß die Urkultur zuerst

eine mystische war und daß deshalb, weil der ekstatische Geist nur

in Gemeinschaft verwirklicht werden kann, auch eine vollkommene

Gemeinschaft am Anfang bestand.