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den Entartungen der Demokratie gegenüber, nicht jenen der Dik-

tatur. Diese bekam er erst später am eigenen Leibe durch Verfolgung

und Einkerkerung zu spüren.

Mögen manche Staatsutopien und ihre aus noch so lauteren Herzen

gewonnenen Vorstellungen einer vermeintlichen oder erträumten

paradiesischen Welt entnommen werden; solche Ideale zerbrechen an

der Härte der wirklichen Welt, denn „der Staat ist die Antwort der

Vernunft auf den Fall des Menschen“, wie es Schelling aus einer

wahrhaft genialen Wirklichkeits- und Wesensschau formuliert hat.

Der Staat ist darum nicht nur etwas Gestalthaftes und Gehalthaftes,

sondern er muß auch etwas Gewalthaftes an sich haben. Paradies

und Himmel bedürfen der „Zwangsanstalt“ eines Staates nicht, der

wahre Staat aber bedarf der himmlischen Gabe der Vernunft, um der

Idee des Guten in einer gefallenen Welt, in dem Kampfe mit den

Mächten des Bösen immer wieder zum Siege zu verhelfen. Die Ver-

nunft vermag ihm diese Hilfe zu geben: als die Trägerin der ewig

gültigen Weltordnung; aber nur deshalb, weil er selbst seiner Idee

nach nicht Menschenwerk ist, sondern in seinem inneren Gefüge

diese Weltordnung in sich trägt. Denn subjektiver und objektiver

Geist sind von ebenbildlicher Art. Sie sind es, weil sie ihnen vom

absoluten Geiste verliehen ist.

B . D i e U m g l i e d e r u n g s o r d n u n g d e s o b j e k t i v e n G e i s t e s

( G e s c h i c h t s p h i l o s o p h i e )

Schelling, dessen Andenken Spann seine Geschichtsphilosophie

gewidmet hat, sagt über die Geschichte, sie könne die Wirkung des

größten und bewunderungswürdigsten Dramas nicht verfehlen, das

nur von einem unendlichen Geiste gedichtet sein kann. Wodurch nun

wohnt der Geschichte diese seltene, aufwühlende Macht inne, die sie

bereits auf das junge, heranreifende Gemüt auszuüben imstande ist?

Dadurch, daß der zum Geiste hinstrebende Geschichtsschreiber, und

ebenso auch der Geschichtsbetrachter, sich nicht bloß als ergriffener

Zuschauer dieses Dramas findet, sondern vielmehr noch, weil in ihm

eine Ahnung mitschwingt von einem heimlichen Vermögen, das den

Menschen in irgendeiner, wenn auch noch so vermittelten Weise zu

einem Mitspieler in diesem Drama erheben könnte.