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turscheidungen). Von außergewöhnlicher weltgeschichtlicher Be-
deutung haben sich z. B. jene durch den Hellenismus, die Völker-
wanderungen und die Christianisierung erwiesen. Spann beschäftigt
sich eingehend mit dieser historischen Erscheinung. Durch die sozio-
logischen Begriffsmittel der Ganzheitslehre vermag er die für jeden
Historiker bedeutsamen Vorrangverhältnisse der Spannungen abzu-
leiten.
Aus den Kämpfen und Spannungen folgt das T r a g i s c h e in
der Geschichte, von dessen Macht uns nicht nur die Tragödie ein
geistiges Abbild zeigt, sondern auch die Geschichtsphilosophie.
Während aber jene die transzendente Erlösung hinter dem Vorhang
des Geschehens nur ahnen läßt, öffnet diese ihn und vermag da-
durch alles Zeitliche durch einen Schimmer des Ewigen zu ver-
klären, das Überzeitliche am Grunde des Zeitlichen aufzudecken. Das
über aller Zeit Stehende ist es ja, das die Geschichte durch die
R ü c k v e r b u n d e n h e i t in ihm zur Geschichte macht.
C . G e i s t u n d G e s c h i c h t e
( M e t a p h y s i k d e r G e s c h i c h t e )
Ist die Geschichte die zeitliche Entfaltung einer überzeitlichen
Wesenheit, so ist ihr Walten F r e i h e i t u n d S c h i c k s a l . Der
menschlichen Freiheit ist das Zeitliche überantwortet, ihr Schicksal
kommt aus dem Überzeitlichen, es ist der Geschichte vorgegeben.
Aber diese Vorgegebenheit ist nicht ein mechanischer (also sinnloser)
Ablauf, sondern eine sinnvolle Aufgabe, eine Aufgabe von oben.
„Weltliche Geschichte hat überweltliche Vorbedingungen, weltliches
Geschehen und vorweltliches Sein stehen in irgendeinem Verhältnis
zueinander! Die Geschichte wird ,im Himmel' zwar nicht gemacht,
aber angelegt“ (Bd 12, 332). Was im Himmel angelegt ist und die
Geschichte ,,vor“-bestimmt, ist die „Vorsehung“, deren tiefen,
inneren Sinn uns vielleicht die alte Form des Wortes erkennen läßt,
wie sie Meister Eckehart gebraucht: „fürsihtikeit“. Es ist der Gegen-
begriff zur „Vorherbestimmung“ (Prädestination).
Wo Freiheit ist, muß auch Z u f a l l sein. Zufall in des Wortes
üblicher Bedeutung, aber auch Zu-Fall in jenem höheren Sinne, der
wohl als alltäglicher Zufall erscheinen mag, durch welchen aber den