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früheren Untersuchungen unmittelbar ergeben; sie näher darzutun und
aufzuzeigen, soll die Aufgabe der nachfolgenden Überlegung sein.
Soweit mir bekannt, hat nur Friedrich Julius Neumann in seinem Aufsatz
„Wirtschaftliche Gesetze nach früherer und jetziger Auffassung“ eine Einteilung der
wirtschaftlichen Gesetze versucht. Er unterscheidet
1.
„Gesetze, die sich aus dem Eigennutzen ergeben“ und „Preisgestaltungen zum
Objekt haben“;
2.
ebensolche, die „anderes zum Objekt haben“, z. B. die Verdrängung der kleinen
Betriebe durch die großen;
3.
„Gesetze, die aus den Empfindungen der Gerechtigkeit“ hervorgehen; z. B. daß
mit steigender Steuerlast immer mehr jene Steuern, welche der Steuerfähigkeit
Rechnung tragen (Einkommensteuer und so fort), an Bedeutung gewinnen; und
4.
solche Gesetze, „die aus anderen Motiven oder anderen Ursachen, wie z. B.
Zunahme der Bevölkerung, Steigerung des Verkehrs oder des Wohlstandes,
hervorgehen“. Hierher rechnet er die Bevölkerungsgesetze, die Gesetze des
abnehmenden Bodenertrages und alle Entwicklungsgesetze.
1
Dieser Einteilung gegenüber ist zu bemerken, daß alle volkswirtschaftlichen Gesetze
in irgendeiner Form solche der reinen Wirtschaftlichkeit — und in diesem Sinne also des
„Eigennutzes“ sind, wenn man diesen wenig glücklichen Ausdruck beibehalten will.
W i r t s c h a f t l i c h k e i t u n d „ E i g e n n u t z “ s i n d n ä m l i c h
d e s w e g e n
n i c h t
e i n e r l e i ,
w e i l
d a s
Z i e l wirt-
s c h a f t l i c h e r T ä t i g k e i t a u c h e i n „ u n e i g e n n ü t z i g e s “
s e i n k a n n . W i r t s c h a f t e n t h ä l t e i n e z w e c k b e z ü g l i c h e
V e r b u n d e n h e i t
o d e r
L o g i k
d e r
M i t t e l ,
k e i n e
C h a r a k t e r i s t i k d e s Z i e l e s . — Andererseits kann man wirtschaftliche
Gesetze schwerlich auf die „Empfindung der Gerechtigkeit“ gründen. Entweder es
handelt sich auch im Steuerwesen um Gesetze des Leistens und der Wirtschaftlichkeit,
oder es handelt / sich um Wirtschaftsethik und um Politik oder andere Erwägung der
Ziele, aber niemals um „wirtschaftliche“ Gesetze der Gerechtigkeit. Dieser Begriff wäre
ein Widerspruch in sich. Das Bevölkerungsgesetz an sich endlich steht außerhalb des
unmittelbaren Umkreises der wirtschaftlichen Gesetze. Erst die Veränderung der Mittel,
die durch Zu- und Abnahme der Bevölkerung erfolgt, ist eine wirtschaftliche
Erscheinung.
Außer der angeführten Einteilung Friedrich Julius Neumanns wäre noch Carl
Mengers Unterscheidung von „exakten“ und „empirisch-realistischen“ Gesetzen zu
gedenken. Diese Unterscheidung ist logisch vielleicht berechtigt. Doch werden wir
erkennen: daß in der Volkswirtschaftslehre nur „ e x a k t e “ , das ist streng eindeutige
Gesetze, die n o t w e n d i g a u s i h r e n V o r a u s s e t z u n g e n f o l g e n ,
zu finden sind; diese Gesetze gelten natürlich bloß so weit wie ihre Voraussetzungen —
also in Wirklichkeit nur für strenge, richtige Wirt-
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Friedrich Julius Neumann: Wirtschaftliche Gesetze nach früherer und jetziger
Auffassung (Jahrbücher für Nationalökonomie, Folge 3, Bd 16, Jena 1898, S. 17).