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widerspricht. Auch der von beiden vertretene Begriff der Selbstgenugsamkeit oder Autarkie

des Staates (geistig und wirtschaftlich) ist nicht widerspruchsfrei und muß als

individualistischer Einschlag bezeichnet werden. —

III. Augustinus, Scholastik, Mystik

Den Übergang zum Mittelalter stellt Augustinus dar, dessen

Hauptwerk: De Civitate Dei (Vom Gottesstaat

1

), die antike Staatslehre zum

ersten Male auf dem Grunde des christlichen Gedankens der Erlösung und

des Reiches Gottes umbildete, indem er dem Weltstaate (civitas terrena)

den Gottesstaat (civitas dei) gegenüberstellte. Der Staat lebt in der

Gerechtigkeit. „Was sind Reiche ohne Gerechtigkeit anderes als große

Räuberhaufen?“ (latro- cinia), sagt Augustinus

2

. — Eine systematische

Gesellschaftslehre will Augustinus nicht geben.

Die scholastische Staatslehre hat durch A l b e r t u s M a g n u s

(1193—1280)

3

und T h o m a s v o n A q u i n o (1225—1274) wieder an

die aristotelische „Politik“ angeknüpft

4

. Das Sittengesetz ist für Thomas ein

Naturgesetz, eine „lex naturalis“. Dies ist aber nicht im heutigen

naturwissenschaftlichen Sinne zu verstehen. Sondern das sittliche

„Naturgesetz“ beruht auf der Teilnahme oder participatio (^ts^e|tg nach

Platon) der Menschen an dem ewigen, göttlichen Gesetze, der lex

a e t e r n a . ( G ö t t l i c h e s N a t u r r e c h t . ) Darum sind Recht

und Staat von Menschen nicht eigentlich gemacht (trotz gelegentlicher

Vertragsvorstellungen bei Thomas), sondern a u s g e w i r k t . Recht und

Staat und das gesamte menschliche Gemeinschaftsleben sind also

Darstellungen, Auswirkungen der göttlichen Idee der Gerechtigkeit. Die

platonischen Ideen sind nun als die Schöpfergedanken Gottes gefaßt und

bilden als der Wille Gottes die lex aeterna. Die richtige Thomaserklärung,

1

Augustinus: Der Gottesstaat. Die staatswissenschaftlichen Teile übersetzt, mit teilweise

lateinischem Begleittext versehen von Karl Völker, Jena 1923 (= Die Herdflamme, Bd 4).

2

Augustinus: Der Gottesstaat,... 4. Buch, S. 49.

3

Vgl. Wilhelm Arendt: Die Staats- und Gesellschaftslehre Alberts des Großen, Jena 1929

(= Deutsche Beiträge zur Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, Bd 8).

4

Friedrich Schreyvogl: Ausgewählte Schriften zur Staats- und Wirtschaftslehre des

Thomas von Aquino, Jena 1923 (= Die Herdflamme, Bd 3).