D r i t t e r A b s c h n i t t
Die Hauptvertreter der idealistischen Gesellschaftslehre
Zu Unrecht läßt man die Geschichte der Soziologie oder
Gesellschaftslehre mit Comte und seinen Vorläufern, den Philosophen der
Aufklärung, beginnen. Wenn auch das Wort „Soziologie“ von Comte
stammt, und wenn auch der Begriff der „Gesellschaft“ — in dem
allgemeinen
Sinne
einer
nichtstaatlichen
Gemeinschaft
als
„Wechselwirkung der Individuen“, aufgefaßt — erst aus der
individualistischen Naturrechts- oder Vertragslehre stammt; die Sache
selbst war darum doch der früheren Philosophie nicht unbekannt. J e d e s
p h i l o s o p h i s c h e L e h r g e b ä u d e d e s I d e a l i s m u s
h a t t e e i n e b e s t i m m t e G e m e i n s c h a f t s - u n d
S t a a t s l e h r e e n t w i c k e l t . Wir finden eine Gesellschaftslehre
schon in den indischen U p a n i s c h a d e n , in der Lehre des
C o n f u t i u s und in den ältesten europäischen Systemen des Idealismus,
die uns bekannt sind, nämlich bei P y t h a g o r a s und Platon. Später in
der Scholastik, Mystik, im deutschen Idealismus.
/
Es ist nicht unsere Absicht, hier eine Geschichte der idealistischen
Gesellschaftslehre vorzutragen, da in den großen Lehrbüchern der
Geschichte der Philosophie die Sitten- und Staatslehre der idealistischen
Systeme überall dargestellt ist und der Verfasser auch an anderer Stelle das
Allerwichtigste vortrug
1
. Nur die folgenden, für später nützlichen
Bemerkungen mögen hier Raum finden
2
.
1
Siehe mein Buch: Gesellschaftsphilosophie, München 1928, S. 16 ff. Die wichtigsten
Quellen liegen jetzt vor in der Sammlung „Herdflamme“, Verlag Gustav Fischer, Jena, deren
bedeutendste Bände im folgenden genannt sind. Für die Griechen verweise ich noch auf das
ausgezeichnete Werk von Leopold Schmidt: Die Ethik der alten Griechen, Bd 1, Berlin 1882.
2
Über die Upanischaden und über die chinesische Gesellschaftslehre siehe unten im
Anhang zum zweiten Buch S. 244 ff. und S. 265 ff.