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siedler kann man daher als absoluten Einzelnen und als eine

individualistische Konstruktion nicht anerkennen. Er ist nur ein

scheinindividualistischer Typus, weil bei ihm das Verhältnis zu Gott und

zu der vergöttlichten Natur an die Stelle des Verhältnisses zum Menschen

tritt. Ein solches Verhältnis kann aber ferner auch nur dort stattfinden, wo

ein schon a u s g e b i l d e t e r Geist intuitive Kraft genug hat, aus der

Natur, aus dem Schicksal heraus die Stimme der Gottheit zu vernehmen.

Alle anderen bisher angeführten Beispiele haben etwas Bestechendes, ja

/ Überwältigendes. Sie zeigen uns Gestalten, die wohl geeignet sind,

Staunen zu erwecken und stark genug zu sein scheinen, den

individualistischen Gedanken zu bezeugen; die Gestalt des Einsiedlers

jedoch ist von Anbeginn kein wahrer individualistischer Zeuge

1

.

Überblicken wir alles Angeführte, so sehen wir überall: Es ist das

Selbstschöpferische des menschlichen Geistes, auf das der Individualismus

nicht nur konstruktiv, sondern auch in seiner inneren Empfindung

zurückgeht. Dieses Merkmal ist das allein Maßgebende an allen

angeführten Beispielen. Der Streit um alles andere am Individualismus ist

eine Verirrung. Wenn es Individualisten gibt, die weiter gehen und sich

Blößen geben (Robinsonhypothese in der Volkswirtschaftslehre), so kann

das die Stellung des Individualismus doch nicht erschüttern. Wenn

dagegen in der modernen Gesellschaftslehre Versuche gemacht werden,

das Merkmal der Selbst- wüchsigkeit fallen zu lassen und doch den

Individualismus (z. B. in Form der „Wechselwirkung“) zu halten, so ist das

eine Unlogik, die nicht geduldet werden kann. Das l o g i s c h

F o l g e r e c h t e i m I n d i v i d u a l i s m u s f ü h r t i m m e r

w i e d e r a u s s c h l i e ß l i c h a u f d e n B e g r i f f d e s

a b s o l u t e n E i n z e l n e n , der alles aus der Tiefe der eigenen Brust

herausholt, in den Schacht seines Wesens hinabsteigt, um dort das lautere

Gold des eigenen Stoffes zu brechen. Es ist gewiß, daß, in einem

bestimmten Lichte gesehen, unser Wesen ein solches Bild zeigt, daß jeder

in gewissem Maße Herakles-Donar und Prometheus sich fühlt, jeder eine

geniehafte Stellung in seinem Innersten gewinnen kann und dort sich

anschickt, eine selbstbestimmte, sich selbstgenugsame Welt zu erbauen.

1

Weiteres darüber siehe unten unter „Abgeschiedenheit“, S. 227 ff.

7 Spann, 4