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müssen auf sittenwissenschaftlichem und philosophischem Gebiete

zu Folgerungen führen, welche die Bedeutung einer Weltanschau-

ung haben; aber die Gesellschaftslehre selbst hat mit solchen Fol-

gerungen nichts zu tun. Für den Gesellschaftsforscher kann die

Rücksicht auf Folgerungen, die anderswo als in seinem Gebiete sel-

ber liegen, nicht maßgebend sein. Betrachten wir diesen Gedanken

des näheren.

I.

Zergliedernde Betrachtung

Schon unsere ganze bisherige Untersuchung ist stillschweigend

von der Voraussetzung ausgegangen, daß die Wahrheit über Indi-

vidualismus und Universalismus durch zergliedernde Untersuchung

zu finden sei. Wir haben in den Beispielen des Prometheus, des Ge-

nies, des Einsamen, in den Beispielen von Mutter und Kind überall

die Tatsachen selbst sprechen lassen.

Bei der kritischen Besinnung liegt die größte Schwierigkeit an

unserer Erziehung, die durch und durch individualistisch ist. Wir

alle / können daher den Weg zur inneren Erkenntnis und Wertung

universalistischer Formen nur schwer finden. Die Grundgestalten

der individualistischen Vorstellungsweise, die Stichworte des Indi-

vidualismus ziehen uns lebhaft an, sind uns von Grund auf ver-

traut. Wir fragen uns immer wieder: Ist es denn möglich, daß der

Begriff des Prometheus, des Herakles falsch sei? Gerade der Ausruf

des Prometheus, der zu sich selbst sagt: „Hast du nicht alles selbst

vollendet, heilig glühend Herz?“, er klingt wie eine Mahnung an

den Universalisten, nicht über die eigene Kraft des Individuums

hinwegzuschreiten. Aber jede Prüfung zeigt, daß gerade dieses Wort,

indem es das Individuum rechtend mit der ganzen Welt auftreten

läßt, den furchtbaren Irrtum der Autarkie des Einzelnen enthüllt.

Der Einzelne kann sich wohl gegen Gewalten, die eine Art von

Seinesgleichen sind, aufbäumen, indem er dann die geistige Rich-

tung und Sphäre wechselt, neue Gezweiungen sucht und eingeht;

allein dem Schicksal, Zeus, der kosmischen Potenz gegenüber ist

ein Aufbäumen, eine Absonderung, ein sich daraus Entfernen un-

möglich. Aber nur wenn der Einzelne als Entwurzelter sich in der

Welt fühlen und behaupten könnte, nur wenn er der Gottheit ge-

genüber die Autarkie wirklich auf brächte, die hier gespielt wird,