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Ebenso erscheinen die spezifischen Aufgaben des Staates zuweilen
weiter gefaßt als wir es heute vielleicht für richtig befinden. Wir
sind dafür sehr empfindlich geworden. Jedoch sollte darüber auch
ein eigentümlicher und scheinbar widersprüchlicher Zusammenhang
nicht übersehen werden. Einerseits nämlich führt das individuali-
stische Sozialkonzept notwendig zur Überwältigung der Gesellschaft
durch den Staat, weil die Gesellschaft der ständischen Organe, ihres
Eigenlebens und ihrer Eigenordnung beraubt ist. Das wird auch von
Spann mehrfach hervorgehoben. Andererseits geht mit dem glei-
chen Vorgang der Wucherung des Staates der Vorgang seiner in-
neren Abwertung Hand in Hand. Der Staat muß also sicherlich sein
Maß in den Lebensgesetzen der Gesellschaft finden. Er muß aber
auch und zugleich in der Fülle seiner eigenen Funktionen gestärkt
und gefestigt werden. Der ständische Gedanke kann diesen beiden
Degenerationserscheinungen unserer Zeit, der des Staates und der
der Gesellschaft, entgegengesetzt werden, wenn man ihn nicht, wie
dies oft gerade in der Kritik der Spannschen Gedanken geschehen
ist, sachlich simplifiziert und an einer historischen Gesellschaftsform,
deren soziale Probleme mit den unsern nicht verglichen werden
können, exemplifiziert. Was wir vom Gesichtspunkt unserer Tage
bei Spann allerdings vermissen, ist zuerst eine Herausarbeitung des
Gemeinwohlbegriffes, der vieles zur Klärung des Verhältnisses des
Staates zu den Ständen und ihren Funktionen beigetragen hätte; ist
weiters die rechte Einschätzung der Besonderheit des Wesens und
der Funktion der Familie, von der in „Der wahre Staat“ kaum die
Rede ist, ist schließlich die Behandlung des drängenden Problems
des Ethos der Machtausübung auf der politischen wie der sozialen
und der wirtschaftlichen Ebene. Es läge aber durchaus in der Linie
von Spanns Zeitanalyse, sowohl die gefährliche Illusion der Macht-
losigkeit als des sozialen Ideals des Liberalismus aufzuzeigen als auch
das Ethos der Macht aus den Forderungen des Gemeinwohls, den
Erfordernissen der Sachbereiche und aus den Rechten des Menschen
zu begründen.