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feststellen können, daß Spann in dem vorliegenden Werk zuweilen

Kräfte zu den positiven rechnet, deren Gehalt an Negativem sich

praktisch als so übermächtig erwiesen hat.

(4)

Der letzte und wichtigste Aspekt, der hier noch kurzer Be-

handlung bedarf, ist der methodologische. Es ist begreiflich, daß in

einem Werk wie es „Der wahre Staat“ ist, in einem Werk, das ur-

sprünglich durch das gesprochene Wort geistig wecken und wirken

sollte, keine eingehende Behandlung methodologischer Fragen er-

wartet werden kann.

Hier ist nun nicht der Ort, die Grundsätze und die Problematik

des ganzheitlichen Verfahrens Spanns zu behandeln. Ebensowenig

kann auf den Weg der Gewinnung des entscheidenden Grundbegrif-

fes der „Gezweiung“ eingegangen werden, obgleich wir es hier mit

einer der feinsten soziologischen Beobachtungen und Begriffsbil-

dungen zu tun haben. Diese Fragen werden in anderen Bänden die-

ser Gesamtausgabe eingehend dargelegt. (Es ist, nebenbei bemerkt,

eigentümlich, daß die soziologische Literatur dieses Kernstück der

Spannschen Lehre kaum jemals berücksichtigt hat.)

Gewiß wird man in den wesentlichen Gedankenführungen Spanns

die methodische Klarheit nirgends missen. Wo er aber jene tief-

gehenden und doch höchst aktuellen Fragen berührte, die ihm sozu-

sagen unausgesprochen aus dem Auditorium entgegenschlugen,

mußte er wohl durch den streng abgegrenzten Wissenschaftsbereich

zu den mittenäheren Bereichen durchstoßen. Denn auch solche Fragen

mußten ihre Antwort finden. Wenn Spann etwa der Meinung Aus-

druck gibt, daß der Gegensatz zwischen Individualismus und Uni-

versalismus „den Kampf der Geschichte erfüllt“ und den „Gang der

Geschichte bestimmt“, so hat er natürlich mehr im Auge als den

Gegensatz analytischer Ausgangsbefunde der Sozialwissenschaften

und ihrer methodischen Konsequenzen

1

. Richtig ist ohne Zweifel,

daß jede Richtung der Sozialwissenschaften von der Deutung ihres

Bereiches ausgeht. In diesem Sinne ist die Deutung auch immer ent-

weder ganzheitlich oder individualistisch. Auch leitet jede soziale

Theorie aus ihrer fundamentalen Deutung die ihr wesensgerecht

erscheinenden Strukturen des Gesellschaftsaufbaues ab.

Spann ging es hier aber ganz offenbar um mehr. Er will den gan-

1

Siehe oben S. 95.

23*