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hen zu lernen, sondern auch, und noch mehr, um diese Verhältnisse als

relativ selbständig begründete Seiten des menschlichen Lebens dennoch in

ihrem Zusammenhang zu begreifen. Er geht nicht nur von dem

unhistorischen Charakter des laisser-faire aus, sondern auch von dessen

sozialphilosophischer Schwäche, indem er die mechanistische Auffassung

durch eine wahrhaft organische überwindet. Comte kommt über das

Mechanistische schon infolge seiner gänzlich empiristisch-relativistischen

Grundauffassung vom Logischen und Moralischen im Grunde nicht

hinaus. Obzwar seine wirkliche Anschauung von dem lebendigen Wesen

und Zusammenhalt der Gesellschaft viel zu tief und lebenswahr gewesen

ist, als daß er in dieser Beziehung nicht oft seine eigene philosophische

Grundansicht übertroffen hätte. (Man vergleiche z. B. seine Ausführungen

über sozial- wissenschaftliche Beobachtung, wo er betont, wie bei der

sozialen Erscheinung die Isolierung aus dem Zusammenhang nichts, der

Zusammenhang alles ist). Überhaupt bedarf es wohl keiner besonderen

Hervorhebung, daß ein Standardwerk, wie es das Comtes ohne Zweifel ist,

eine große Fülle genialer Beobachtungen und tiefster Einblicke in die

Natur sozialer Erscheinungen enthält.

So kann im Ganzen genommen Adam Müller mit Recht als der erste

„Soziologe“ bezeichnet werden, wenn dieses wenig erquickliche Wort

schon gebraucht werden muß. Und überhaupt kann nicht genug betont

werden, daß der deutschen Wissenschaft der auf das Ganze der

Gesellschaft und Geschichte gehende, „soziologische“ Geist längst vertraut

war und in ihr weit tiefer begründet gewesen ist, als es durch Comte und

andere hätte nachträglich geschehen können und als wir Heutigen in der

Regel wissen, da der wüste Empirismus der letzten Generation die tieferen

philosophischen Grundlagen unserer Bildungssphäre gänzlich zerstört hat.

Die Gedanken all der Genannten — Adam Müller in der

Wirtschaftswissenschaft, Herder, Fichte, Schelling, Hegel, Schleiermacher

in der Sozial- und Geschichtsphilosophie — gingen ja allerdings weniger

auf die reine Erfahrung und die Erforschung des Positiven aus, aber sie

waren ungleich umfassender und tiefer begründet als die Comtes und

seiner Nachfolger.