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Was ist Subjektivismus oder Individualismus? Streng theoretisch

gesehen, ist er nicht eine sittliche und gesellschaftliche Gesinnungs-

richtung, sondern eine theoretische Erklärung der Gesellschaft. Diese

Trennung von sittlicher Gesinnung wie politischer Anwendung und

rein theoretischer Er- / klärung ist entscheidend. Die sittlich-poli-

tische Anwendung einer Theorie bleibt immer eine Sache für sich,

entscheidend ist allein die theoretische Gesellschaftserklärung. Der

Kern der theoretischen Erklärung ist aber überall der:

erstens: den Einzelnen als s o l c h e n zu erfassen, ihn als ein

in sich selbst begründetes, in sich selbst geistig genügsames, in sich

selbst beruhendes Wesen zu erfassen; sodann: die menschliche Ge-

sellschaft und ihre Gebilde, z. B. den Staat oder die Kirche, als

bloße Zusammensetzung, als Häufung und Summierung der Einzel-

nen zu verstehen. Ich habe dies in meiner „Gesellschaftslehre" und

in meinen anderen Schriften so ausführlich und vielfältig dargelegt,

daß ich darauf verweilen muß, um mich hier nicht zu wiederholen.

Ich hebe nur nochmals hervor, daß der theoretische Individualismus

an sich selbst noch keine sittliche oder politische Gesinnungsrichtung,

z. B. noch nicht „Egoismus“ zu sein braucht. Dem Einzelnen steht es

noch immer frei, z. B. statt jener entscheidenden Folgerung Max

S t i r n e r s , die der Individualist zu ziehen berechtigt ist: „Mir

geht nichts über mich“; auch eine andere, entgegengesetze zu ziehen,

nämlich die „Sympathiegefühle“, die „sozialen Triebe“ und — vor

allem — die Nützlichkeit des geordneten gegenseitigen Zusammenle-

bens zu betonen. Bezeichnend und unerläßlich ist in diesen letzteren

Fällen allerdings die rein psychologistische Begründung. Der Ein-

zelne beruht grundsätzlich in sich selbst, aber er m u ß daraus nicht

die Folgerung ziehen, die Gesellschaft zu meiden, er k a n n auch eine

andere Folgerung ziehen, wenn Triebe, Gefühle, s e i n e seelischen

Zustände überhaupt, ihn dazu bewegen.

Prüft man auf das Gesagte hin die G e s c h i c h t e d e r e m p i -

r i s t i s c h e n G e s e l l s c h a f t s l e h r e n , so findet man es

leicht bestätigt. Daß die sophistische Gesellschaftslehre subjektivi-

stisch war, beleuchtet schon der angeführte Satz: „Der Mensch ist

das Maß aller Dinge“, denn das will sagen, nicht die Gattung Mensch,

sondern jeder einzelne Mensch für sich. Ebenso klar zeigt es sich bei

der nächsten wohl ausgebildeten empiristischen Gesellschaftslehre,

dem individualistischen Naturrecht. Nimmt man hier die Fassung

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