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die den einen oder anderen Begriff zu begründen und an der Erfah-
rung zu bewähren, sowie von da aus den weiteren Aufbau des Be-
griffsgebäudes der Gesellschaftslehre durchzuführen hat. Steht das
fest, so ist gleichwohl anzuerkennen, daß sowohl der eine wie der
andere grundsätzliche a n a l y t i s c h e B e f u n d , der individua-
listische ebenso wie der ganzheitliche, seine p h i l o s o p h i s c h e n
F o l g e r u n g e n habe
1
! Die ganzheitliche Gesellschaftslehre hat
den Drang zu Folgerungen, wie sie in die idealistischen Philosophien
hineinpassen, die individualistische Gesellschaftslehre hat den Drang
zu Folgerungen, welche in die empiristisch-relativistischen Philoso-
phien
hineinpassen
(Subjektivismus-Relativismus-mechanistischer
Atomismus-Sensualismus usw.)
2
. Es ist zweckmäßig, die soziologi-
schen Einzelfragen immer auf dem Gebiete der soziologischen Er-
fahrungszergliederung selbst zu erledigen. Aber es ist unumgänglich,
sich dabei des verfahrenkundlichen Gefüges der verwendeten Be-
griffe und damit auch der innigen Verbindung mit den philosophi-
schen Grundeinstellungen bewußt zu sein. Bei einer Lehre des Gei-
stes in seiner gesellschaftlichen Form, wie es die Gesellschaftslehre ist,
ist es nicht anders möglich, als daß sich die Verbindung mit der Phi-
losophie, die in ihren Hauptlehrbüchern stets das Wesen des Geistes
und der Erkenntnis umfaßt, notwendig aufdrängt.
Es ist ein großartiger Anblick, den uns die Geschichte des gesell-
schaftswissenschaftlichen Denkens gewährt. Er verbürgt uns, daß die
goldene Kette der Weisheit trotz aller Einbrüche des Empirismus
und Individualismus niemals abreißen wird und für immer festhält./
1
Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, bemerke ich über beide Ana-
lysen noch folgendes: R i c h t i g e Analysis der gesellschaftlichen Erscheinun-
gen führt immer zu universalistischen Begriffen. Die Analysis, die zu individua-
listischen Begriffen führt, ist falsch. Gleichberechtigt sind die beiden Richtungen
der Gesellschaftslehre nicht, zweierlei Wahrheit gibt es nicht. Die Individua-
listen sind schon bei der Analyse in naivster Weise von ihrer Philosophie be-
fangen.
2
Wie oben S. 127 ff. dargelegt wurde.