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Von der Verbindung der Religiosität mit der Sittlichkeit spricht

Max Weber in dieser Tonart: „Ganz der Realität der Dinge im Le-

ben entsprechend, ist der Hüter der R e c h t s o r d n u n g keines-

wegs notwendig der stärkste Gott: weder Varuna in Indien, noch

Maat in Ägypten, noch weniger Lykos in Attika oder Dike oder

Themis und auch nicht Apollon waren dies. Nur ihre / ethische

Qualifikation ( ! ) . . . zeichnet sie aus. Aber nicht weil er ein Gott ist,

schützt der „ethische“ Gott die Rechtsordnung... Sondern weil er

nun einmal diese besondere Art von H a n d e l n in seine Obhut

genommen hat.“

1

— Ein materialistisches Zerrbild religiösen We-

sens, wie es trauriger nicht gedacht werden kann.

In Bezug auf das Verhältnis der Religion zu den Klassen und

Ständen heißt es unter anderem: Gnosis, Manichäismus waren „In-

tellektuellenkulte“, „der Fraueneinfluß pflegt nur die emotionellen,

hysterisch bedingten Seiten der Religiosität zu steigern“

2

. Die „Be-

deutung der Erlösungsreligiosität für die ... negativ privilegierten

Schichten im Gegensatze zu den positiv privilegierten . . . “ wird da-

hin bestimmt, „daß das Würdegefühl der höchst privilegierten ...

Schichten, speziell des Ad e l s . . . auf dem Bewußtsein der Wollen-

dung' ihrer Lebensführung als eines Ausdruckes ihres qualitativen,

in sich beruhenden, nicht über sich hinausweisenden , S e i n s ‘ ruht,

und, der Natur der Sache nach, ruhen kann, jedes Würdegefühl ne-

gativ Privilegierter dagegen auf einer ihnen verbürgten ,Verhei-

ßung', die an eine ihnen zugewiesene ,Funktion', ,Mission', ,Beruf'

geknüpft ist.“

3

„Der Hunger nach einer ihnen ... nicht zugefallenen

Würde schafft diese Konzeption, aus welcher die rationalistische Idee

einer ,Vorsehung'... entspringt“

4

. Hier geht die religiöse Farben-

blindheit in unbewußte aber krasse Tatsachenfälschung infolge mar-

xistischer Befangenheit über. Denn was soll es bedeuten, daß der

Erlösungsidee als „Verheißung“ bei den Armen, ein „Sein“ beim Adel

gegenüberstünde? Begegnet einem etwa beim Adel nicht der Glaube

an eine Vorsehung und das Bedürfnis nach Erlösung von den Übeln

des Daseins? Ich will hier absichtlich vom christlichen Mittelalter

nicht sprechen; aber war der Königsohn Buddha, der die Erlösungs-

1

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 244 f.

-

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 280.

3

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 280 f.

4

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 281.