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bildung, Mutation und Krankheitsform aufs engste Zusammenhän-
gen, und daß sich auch in der Erdgeschichte bei starkem Variieren
die Gattung, also durch überweite Entfaltung die ganze Gründung
gefährdet zeigt.
Versuchen wir, die verschiedenen Abfolgen, die sich uns eröff-
neten, in einer Tafel darzustellen, so ergibt sich etwa folgendes Bild:
V o l l k o m m e n h e i t s v e r l a u f :
Gründung — Entfaltung; fortsetzende Neugründung auf höhe-
rer Ebene — weitere Entfaltung auf höherer Ebene.
Hierfür diene als Beispiel: Gründung der modernen rationalen
Wissenschaft; Entdeckung des Irrationalen im Verlaufe der Entfal-
tung des Wissens; innere Verwandlung dieser Wissenschaft, Durch-
bruch zur metaphysischen Lebens- und Wissensauffassung auf Grund
des Irrationalen; Entfaltung des mystischen Denkens und Lebens.
Die „Neugründung“ kann hier natürlich nicht beliebig fortgesetzt
werden. Denn sie ist kein mechanischer „Fortschritt“, sie bedeutet
nur die auf erhöhter Ebene stattfindende Erwirkung der inneren
Gestalt (Verklärung, das Ende).
U n v o l l k o m m e n h e i t s v e r l a u f :
Fehlgründung — Fehlentfaltung — Gegengründung als Bruch
mit der bisherigen Gründung oder Entfaltung (Wendung, Krise,
Erschütterung) — Gegenentfaltung.
Die Gegengründung und Gegenentfaltung (der Bruch) ist ent-
weder:
Heilung und führt dann in den Vollkommenheitsverlauf zurück,
oder abermals
Fehlgründung — mit abermaliger Fehlentfaltung; das heißt aber-
maliger Bruch, der aber als G e g e n b r u c h (gleichsam Gegengift),
z. B. als Renaissance, Reformation; Reformbestrebungen, Rück-
schlag, Wiederherstellung; Bekehrung, Umkehr, endlich zu einer
vervollkommnenden Neugründung (Heilung) — mit folgender wei-
tervervollkommnender Entfaltung (oder zu neuen Fehlschlägen)
führen kann.
/
Betrachtet man die Geschichte nicht als „Fortschritt“ oder „Le-
bensablauf“, sondern als Gründung und Entfaltung, so geht nichts