65
fisten, an ihre Fragen heran: die Marxisten, indem sie mehr oder
weniger unmittelbar alles dem Kapitalismus in die Schuhe schieben,
die anderen im Sinne der Forderungen einer löblichen Humanität,
einer billigen Aufklärung und des Liberalismus. Der größte Teil des
Schrifttums über Imperialismus gehört daher weder der Gesellschafts-
lehre noch der wissenschaftlichen Geschichtsbetrachtung an, sondern
einer mehr oder weniger verkappten Parteipolitik und ist ja auch in
der Tat meistens von Nichtkennern jener Fächer geschrieben.
Schrifttum
A d o l f L e n z : Der Wirtschaftskampf der Völker und seine internationale
Regelung, Stuttgart 1920 (woselbst auch eine umfangreiche Zusammenstellung
des Schrifttums). — Eine kurze Übersicht über die Geschichte weltpolitischer Be-
strebungen gibt O t t o H i n t z e : Imperialismus und Weltpolitik, in: Histo-
rische und politische Aufsätze, Bd 4, Berlin o. J. (= Deutsche Bücherei,
Bd 100/101). — J o s e p h S c h u m p e t e r : Zur Soziologie der Imperialismen,
Tübingen 1919 (Schumpeter behandelt den Imperialismus auf Grundlage der
materialistischen Geschichtsauffassung mit der Besonderung, daß nicht die gegen-
wärtigen, sondern die früheren Produktionsverhältnisse, die z. B. den „Dauer-
typus des Kriegers schaffen“, maßgebend seien. Daher Schumpeters Schluß: der
Imperialismus ist „ein Atavismus individualpsychologischer Gefühlsgewohnhei-
ten“.) — Die Schriften der Neumarxisten: R u d o l f H i l f e r d i n g : Das
Finanzkapital (1911), 2. Aufl., Wien 1921; R o s a L u x e m b u r g ; K a r l
L i e b k n e c h t ; W a l t e r R a t h e n a u ; C a r l R a d e k : Der Zusammen-
bruch des Imperialismus und die Aufgaben der internationalen Arbeiterklasse,
München 1919. — Das wahre Schrifttum über jene Erscheinungen, die man unter
„Imperialismus“ zusammenwirft, ist in der G e s e l l s c h a f t s l e h r e zu suchen,
sofern sie Krieg, Politik, Gleichheit, Herrschaft, Macht, Volkstum und Staat
behandelt. Siehe meine Artikel: Soziologie, in: Handwörterbuch der Staatswissen-
schaften, 4. Aufl., Bd 7, Jena 1926; Universalismus, unten S. 125 ff. — Vergleiche
auch W i l h e l m B a u e r : Das Schlagwort als sozialpsychische und geistes-
geschichtliche Erscheinung, in: Historische Zeitschrift, Bd CXXII, München 1920.
— Aus dem älteren Schrifttum sei auf H e g e l s geschichtsphilosophische und
politische Werke verwiesen. Hegels Grundgedanke ist, daß der Kampf der Ge-
gensätze alles Geistige in der Welt entwickelt.
5 Kleine Schriften