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„Klasse“ im allgemeinen Sinne von Gruppierung gefaßt, ist eine ge-

sellschaftliche Erscheinung und zwar eine letzte, grundsätzliche;

daraus folgt, daß ihre Erforschung schließlich von den ersten Be-

griffen der Gesellschaftslehre (Soziologie) ausgehen muß. Und wie

bei jedem Grundproblem gesellschaftswissenschaftlicher Art, so kann

auch hier keine einheitliche, sondern nur eine zweifache Behandlung

durchgeführt werden, die individualistische oder atomistische und

die universalistische oder organische

1

. Je nachdem die Gesellschaft

zuletzt dahin erklärt wird, daß sie aus selbstgenüglichen und selbst-

herrlichen einzelnen Menschen bestehe, die bloße Zusammensetzung

dieser Einzelnen sei (Individualismus); oder daß sie lediglich aus

den Menschen als geistigen G l i e d e r n des Ganzen bestehe, so daß

das Ganze das logisch Primäre ist, die Einzelnen dagegen bloß kraft

ihrer Gliednatur, ihrer Gliedlichkeit da sind (Universalismus) — je

nach dieser verschiedenen Grundauffassung der Gesellschaft muß not-

wendig auch die Erscheinung der „Klasse“ eine Erklärung von ver-

schiedenen Voraussetzungen her finden

2

.

B.

Die i n d i v i d u a l i s t i s c h e E r k l ä r u n g d e r K l a s s e

Individualistisch nun ist der Begriff der Klasse von folgenden Vor-

aussetzungen her zu entwickeln:

Die Gesellschaft besteht lediglich aus Einzelnen, die ihre geistige

Realität aus sich selbst hervorbringen, und ist darum nichts anderes

denn die Summe, die Gesamtanzahl dieser Einzelnen. Wenn nun die

menschliche Gesellschaft, als Gesamtes betrachtet, nur eine Summie-

rungs-, eine Häufungserscheinung ist, so muß auch die „Klasse“

diese Natur teilen. Jedoch ist sie eine Summierungserscheinung be-

sonderer Art. Welcher? Summierung auf Grund welches besonderen

Merkmales?

Der Marxismus, getreu seiner Natur als Übertragung des Ma-

terialismus auf die Gesellschaftslehre, hat darauf mit vorher nicht

dagewesener Entschiedenheit eine Antwort gegeben, indem er sagt:

die w i r t s c h a f t l i c h e Gleichheit ist der Summierungsgrund,

1

Den Beweis hiefür siehe in meinem Artikel: Universalismus, unten S. 125 ff.

2

Die nähere Ausführung des Unterschiedes von Individualismus und Univer-

salismus siehe in meiner Abhandlung: Universalismus, unten S. 125 ff.