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schaflserklärung mußte wieder erwachen. Dem deutschen Geiste be-
sonders entsprach die tiefere, universalistische Auffassung, und so
ist die Wiedererweckung des Universalismus seine geschichtliche Tat
geworden. Die deutsche klassische Philosophie war es, welche in
F i c h t e , S c h e l l i n g , B a a d e r , H e g e l u n d d e r R o -
m a n t i k die wahre, universalistische Lehre wieder eroberte.
F i c h t e fand zuerst, vom Einzelnen ausgehend, rein erkenntnis-
theoretisch die Wahrheit: daß man den Menschen seinem Begriffe
nach gar nicht konstruieren könne, ohne ihn als Vielheit zu kon-
struieren
1
! Sollen Menschen überhaupt sein, so müssen mehrere sein
(ebenda). — Fichte überwand in seiner Wissenschaftslehre auch den
mechanischen Seinsbegriff der Philosophie seiner Zeit. Es war der
große Gedanke der ursprünglichen Aktivität, des schöpferischen
Hervorquellens der Tat aus der Tiefe des Geistes, den er in seiner
Setzungslehre entwickelte („das Ich setzt sich selbst“).
S c h e l l i n g übertrug ihn auf die Natur, zeigte, daß auch die
Natur Geist ist, und vollzog damit den „Durchbruch in das freie
Feld objektiver Wissenschaft“.
H e g e l führte diesen Objektivismus und Ontologismus (gegen-
über Kantens und noch Fichtes teilweisem Subjektivismus) voll-
ständig durch. Die Welt ist Geist. Der Weltgeist setzt sich nach den
Schritten, welche die dialektische Methode aufzeigt (wie lächerlich
ist es daher, den materialistischen Marxismus als eine Abart echter
Hegelischer Lehre zu betrachten!); der „objektive Geist“, der sich
im Staate zusammenfaßt, ist die Form, in der er in Gesellschaft und
Geschichte zur Erscheinung kommt. Hegel hat am systematischesten
die Gesellschaft als überindividuelles Geistiges gezeigt.
Am tiefsten hat F r a n z B a a d e r den organischen Gedanken
in der deutschen klassischen Philosophie begründet, wie von Johan-
nes Sauter
2
nachgewiesen wurde.
Die R o m a n t i k ergriff den organischen Gedanken und führte
ihn nicht nur in der Dichtkunst, Tonkunst und Malerei, sondern
auch in allen Geisteswissenschaften, auf allen Gebieten des Wissens
1
Johann Gottlieb Fichte: Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der
Wissenschaftslehre (1796), Leipzig 1922, S. 39 (= Sämtliche Werke, Ausgabe
Fritz Medicus, Bd 2 = Philosophische Bibliothek, Bd 128).
2
Franz von Baaders Schriften zur Gesellschaftsphilosophie, herausgegeben von
Johannes Sauter, Jena 1925 (= Die Herdflamme, Bd 14).