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nicht als s o l c h e r (in seiner allgemeinen Substanz) bestimmt
werden, sondern nur nach Organsystemen und Organen. Das
G a n z e w i r d i n d e n G l i e d e r n g e b o r e n , außerhalb
der Glieder hat es kein selbständiges Dasein.
Aus diesem Grunde ist das Verhältnis der Teilganzen und der
Glieder untereinander niemals ein unmittelbares, sondern stets ein
vermitteltes: es nimmt immer den Umweg über die Ganzheit. Diese
U n b e r ü h r b a r k e i t der T e i l g a n z e n u n d G l i e d e r
lehrt, daß es eine „Wechselwirkung“ auch der Glieder untereinander
nicht gibt! Die Glieder sind stets nur als Teile der Ganzheit, sind
stets nur Wechsel s e i t i g im Ganzen, das heißt eben gliedlich be-
stimmbar, sie sind niemals kausal „wirkend“. Das mögen noch fol-
gende Beispiele klar machen.
Für das Blut existieren die Muskeln nur als Gefäßwände, gleichsam als Blut-
kammern, als Stätte des Blutverbrauches oder der Bluternährung, also immer
als Feld für die Blutfunktion. — Für die Nerven wieder sind die Muskeln nur
da als ein zu Kontrahierendes, als ein die Empfindung Vermittelndes — also
immer als Ort der Nervenbetätigung, als eine Art von Nerv selbst. Für den
Muskel wieder gibt es Blut nur als Muskelernährung (als Muskelbestandteil),
Nerv gibt es für ihn nur als eine bestimmte Lebensfunktion des Muskels, näm-
lich als Kontraktion usw. Vermittelndes. Muskel lebt mit Blut und Nerv nur,
sofern beide selbst Muskelart haben; Nerv lebt mit Blut und Muskel nur, so-
fern beide Nervenart haben; eine andere Berührungsweise zwischen beiden ist
undenkbar. Das heißt: der Nerv lebt nur in seiner Glied- oder Verrichtungs-
eigenschafl im Ganzen, der Muskel nur in seiner Glied- oder Verrichtungseigen-
schaft im Ganzen; e i n e a n d e r e B e z i e h u n g a l s d i e z u r G a n z -
h e i t h a t e r n i c h t , ein unvermitteltes „Aufeinanderwirken“ ist undenkbar.
Die weitere Behandlung des logischen Verhältnisses von Ganzem und Teil
führt zu einer soziologischen K a t e g o r i e n l e h r e
1
.
Die m e t h o d o l o g i s c h e n F o l g e r u n g e n a u s d e m
U n i v e r s a l i s m u s sind in den bisherigen Darlegungen bereits
auf gedeckt worden. Sie gehen grundsätzlich dahin, daß nicht mehr
die Auffassung der Gesellschaft als eines Mechanismus gilt (wie sie
von Comte und seinen Nachfolgern, von Smith-Ricardo und ihren
Nachfolgern vertreten wurde); daß daher nicht mehr das Verhält-
nis von „Ursache und Wirkung“ für die gesellschaftswissenschaft-
liche Betrachtung wesentlich ist, vielmehr ein ganz anderes Grund-
verhältnis: das von Ganzheit und Glied. Dieses ist ein s i n n v o l -
l e s Verhältnis. Es schaltet daher die bloß mechanische (das heißt
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Vgl. dazu meinen Artikel: Soziologie, in: Handwörterbuch der Staatswissen-
schaften, Bd 7, 4. Aufl., Jena 1926, S. 663 f.