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Eigennutz nicht wirksam sei, „bureaukratisch“ gearbeitet werde. Dieser Einwand

ist aber verfehlt. Wo bureaukratisch und unsachlich gearbeitet wird, dort eben

vermochte die Ganzheit zu wenig Eingliederungskräfte zu wecken, dort ist zu

wenig Liebe zur Sache, Pflichtgefühl usw. am Werke! — dort herrscht gerade

Eigensucht und bewirkt Faulheit, Formalismus oder gar Bestechlichkeit. Ernster

wäre dagegen der Hinweis, daß in der sogenannten freien Verkehrswirtschaft

technische Fortschritte und dergleichen schneller erfolgen als in der körperschaft-

lich gebundenen Wirtschaft. Diese Tatsache ist nicht zu leugnen. Hier liegt aber

der wesentlichste Umstand darin, daß in der unorganisierten Wirtschaft die Aus-

wirkungen solcher Fortschritte auf die anderen Betriebe — z. B. deren Stillegung

oder Wertverminderung oder sonstige Schädigung — ungehemmt vor sich gehen

können, während in der organisierten Wirtschaft solche Auswirkungen überblickt

und in ihrem Schaden für die Stetigkeit der Erzeugung und des Wirtschafts-

ganges erkannt werden. Man hat die Kapitalzerstörungen und Krisen, die solchen

gewaltsamen Einzelfortschritten entsprechen, oft übersehen. Sobald aber diese Um-

bildungen soweit gehen, daß sie in der Folge die vorhandenen Gliederungen zer-

stören, so setzen sie (im betroffenen Umkreise) an Stelle eines Gliederbaues ein

Chaos von nicht zueinander passenden Wirtschaftsatomen, und es entstehen dann

in Form von Krisen, Stillegungen, Elendserscheinungen, Maschinenstürmereien,

Proletariat jene wirtschaftlichen Verfallserscheinungen, die überall neben dem

Kapitalismus einhergehen. Der Eigennutz kann daher auch dort, wo er zwar

unmittelbar der Wirtschaftshandlung die objektive Eingliederungseigenschaft

gibt — z. B. in den gegebenen Betrieb, in den gegebenen bestimmten Markt —,

dadurch mittelbar vorwiegend e n t g l i e d e r n d e Eigenschaft haben, daß die

Umgliederungsfolgen wieder zur Zerstörung der Gliedhaftigkeiten anderer Wirt-

schaftsgebilde führen.

Überall wo das Ganze die guten Eingliederungskräfte mit Erfolg

geweckt hat, wo Tatendrang, Arbeitsliebe, Hingabe, Pflichtgefühl,

Zunftgeist und Ehre ein frisches, schöpferisches Leben hervorrufen,

dort sehen wir eine stetige und vor allem eine sittlich gehobene

Wirtschaft, das heißt aber eine Wirtschaft mit der Neigung, den

h ö h e r e n K u l t u r z i e l e n ganz vorzugsweise zu dienen. Das

mittelalterliche Handwerk war zum guten Teile Kunsthandwerk,

und durch die ganze mittelalterliche Wirtschaft ging ein sakraler

Zug. Das höhere Ziel veredelte auch den Eingliederungsgrund. Die

organisatorischen Voraussetzungen der Wirtschaft lenkten Beispiel

und Wetteifer auf Veredlung der Leistung („Qualitätsarbeit“) und

weniger auf die Augenblickseingliederung in den Markt.

Aus all dem folgt, daß der Eigennutz, soweit er als subjektiver

Bestimmungsgrund für objektive Eingliederung überhaupt in Be-

tracht kommt, gewissermaßen eine amorphe und zuletzt zerstö-

rende Kraft ist. Die e i g e n n ü t z i g e W i r t s c h a f t i s t

e i n e U t o p i e . Jede genauere wirtschaftsgeschichtliche Betrach-

tung zeigt denn auch, daß der Eigennutz in Wahrheit überall nur