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cardo bauen das Gebäude auf. Später wird der gleiche System-

gedanke von den verschiedenen Nachfahren und Schulen Ricardos

vorgetragen. Außer John Stuart Mill und außer Karl Marx (so-

fern er in seiner theoretischen Analyse des Wirtschaftsganges durch-

aus Ricardo folgte) sind aus der neueren Zeit zu nennen: die

österreichische

Grenznutzenschule unter Führung Carl Mengers und die

mathematischen Schulen, darunter insbesondere Gustav Cassel, des-

sen Lehrbuch heute in Deutschland sehr verbreitet ist.

Die individualistische Theorie geht in allen Formen zuletzt grund-

sätzlich und überall von dem Tun des E i n z e l n e n aus. Der

volkswirtschaftliche Individualismus gleicht hierin dem individua-

listischen Naturrechte der Staatslehre. Dieses ging, um den Staat zu

erklären, von der Annahme aus, daß es ursprünglich keinen Staat

gegeben habe. In jenem Zustande, im „Naturzustande“, lebten die

Menschen einzeln, für sich. Aber es herrschte das „bellum omnium

contra omnes“, der Krieg aller gegen alle, wie ihn namentlich Tho-

mas Hobbes schilderte. Darum schließen sich nach dieser Meinung

die Menschen durch Vertrag zu einem Staate zusammen, damit sie

jenem unpraktischen Zustande entgehen und jeder seine individuel-

len Ziele besser verfolgen könne. Der Staat wird demnach als ein

utilitarisches Gebilde betrachtet, das aus dem Zusammentreten der

einzelnen Menschen (dem Vertrage) entstünde. — Eben diesen Ge-

danken übernimmt die physiokratische Volkswirtschaftslehre: es ist

ein Urrecht, ein Grundrecht eines jeden Menschen, sein Schicksal so

günstig als möglich zu bestimmen. Das heißt aber nichts weniger

als: vom Tun des Einzelnen aus entsteht die Wirtschaft, vom Tun

des Einzelnen aus ist sie zu verstehen und zu erforschen.

Hiermit ist bereits der erste Grundbegriff, der erste systemtra-

gende Gedanke der individualistischen Volkswirtschaftslehre gewon-

nen, der E i g e n n u t z . Jeder soll seine eigenen Ziele verfolgen

können, um sein Schicksal so günstig wie möglich zu bestimmen.

Der Anfang der Wirtschaft ist das Tun der Einzelnen; dieses Tun

ist durch den Eigennutz der Einzelnen (interêt) eindeutig bestimmt,

ist also selbstbestimmtes, autarkes Tun. Daher die Robinsonvorstel-

lung und der Begriff des homo oeconomicus (des rein eigennützig

handelnden Wirtschaftsmenschen) das erste Rüstzeug dieser Theorie

sind.

Daraus folgt unmittelbar ein anderer Grundbegriff: Das Zu-