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bleibt: Der innere Umgang mit überirdischen Mächten, Geistern der

Ahnen und ähnlichen Wesen, wie er den alten Völkern überall und

heute noch dem hellsichtigen Naturmenschen sehr nahe liegt und

ihn oft ganz ausfüllt, ist zuletzt nicht bloße Phantasie und darum

nicht ganz unwahr — a b e r s i e l e n k t v o n d e m T i e f -

s t e n u n d L e t z t e n d e r R e l i g i o s i t ä t a b , v o n d e r

h ö c h s t e n G o t t h e i t . Der Eingottglaube tritt dadurch zu-

rück und wird gleichsam in der Schwebe gelassen.

Die Religionen der Heiden und der Wilden sind darum, das muß

ausdrücklich gefolgert werden, n i c h t s c h l e c h t h i n u n -

w a h r ; aber sie sind durch die Verstricktheit in die niederen

okkulten und magischen Mächte und Erscheinungen sehr getrübt.

Sie sind dadurch vor allem mit Naturalistik versetzt, und das bedeu-

tet, daß sie vom höchsten Religiösen abgelenkt wurden. Das Große

der höheren Religionen, insbesondere des Christentums, liegt nicht

darin, daß sie die magischen Erscheinungen und Mächte leugnen,

sondern darin, daß sie sie überhöhen und hinter sich lassen; daß sie

den religiösen Sinn auf die höchste Gottheit unvermittelt und allein

lenken. Indem sie von der höchsten Gottheit selbst und nicht von

niederen Geistwesen die Leitung der menschlichen Geschicke aus-

gehen und dem Menschen seine Bestimmung geben lassen, reinigen

sie die Religiosität von dem Trüben, dem Äußerlich-Abergläubi-

schen, dem Zauber- und Gespensterartigen wie auch vom Ge-

schäftsmäßigen, und geben ihr damit erst jene g e i s t i g e I n -

n e r l i c h k e i t u n d j e n e s i t t l i c h e R i c h t u n g , deren

die einzelnen Völker und Menschen jeweils fähig sind.

In dem Gedanken, daß die magischen Mächte der niederen Reli-

gionen und die göttlichen Potenzen der heidnischen nicht durchaus

unwirklich seien, aber die Verbindung mit ihnen die reine Ver-

ehrung des höchsten und einzigen Gottes trübt und hindert, sehen

wir recht eigentlich den Schlüssel aller Religionsgeschichte. Die Wil-

den und Heiden wenden sich nicht an Mächte, die es in keinem

Sinne, die es ganz und gar nicht gäbe; aber ihr religiöses Geschäft

ist nur ein solches, das sich bei Niederem aufhält. Und die Gebete,

die an all jene heidnischen Mächte gerichtet wurden, können nicht

als vollkommen nichtig betrachtet werden. Wie denn darum das

Christentum mit vollem Rechte jene niederen Stufen der Volks-