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sen des Gottesdienstes kommt zum reinen Ausdruck bereits in den
altarischen Religionen. Besonders bei den Indern und Iranern war
die O p f e r o r d n u n g e i n A b b i l d d e r W e l t o r d n u n g .
Daher iranisch rtam gleich indisch rta, lat. ritus sowohl Recht wie
Opferordnung bezeichnet. W e l t o r d n u n g g l e i c h F e s t -
o r d n u n g g l e i c h R e c h t s o r d n u n g
1
und somit aller
Ordnung überhaupt — ein Satz, der auch sonst soziologisch wich-
tig ist. Denn er beleuchtet das l e t z t e W e s e n a l l e r R e -
g i e r u n g , d i e i m W e i t e r g e b e n d e r g e s c h a u t e n
G o t t e s o r d n u n g b e s t e h t (so auch in Platons Staat: die
Weisen, die die Ideen schauen, regieren, entsprechend auch die tho-
mistische Gesellschaftslehre
2
; wie er auch zugleich die allbeherr-
schende Bedeutung der Religiosität in seiner Weise großartig aus-
drückt und bestätigt.
Jener Satz „Weltordnung = Opferordnung = Rechtsordnung“
wirft blitzartig ein Licht auf den Begriff der T h e o k r a t i e . Ihr
Oberhaupt ist nunmehr kein „Despot“, sondern S a c h w a l t e r
d e r W e l t o r d n u n g .
In einem letzten grundsätzlichen Sinne ist jede wahre Regierung,
indem sie die S a c h s o u v e r ä n i t ä t an die Stelle der Subjekts-
souveränität, der „Volkssouveränität“ setzt, theokratischer Natur,
wenngleich das nicht formell-organisatorisch zum Ausdruck kom-
men muß
3
.
Die chinesische Verehrung des Weltalls, die Mysterien, die Gnosis
und das Meßopfer der christlichen Kirche offenbaren, soziologisch
gesehen, denselben Sinn des Gottesdienstes — wobei sich der Er-
lösungsgedanke in verschiedener Weise kundtut.
1
Wolfgang Schultz: Die Sittenlehre des Zarathustra, in: Jahrbücher der
philosophischen Gesellschaft in Wien, Jg 1913, Leipzig 1913.
2
Vgl. Otto Willmann: Geschichte des Idealismus, Bd 2, 2. Aufl., Braunschweig
1907, S. 443 ff.; mein Buch: Gesellschaftsphilosophie, München und Berlin 1928,
S. 69 ff. und 103 (jetzt: 2. Aufl., Graz 1968, S. 110 ff. und 157 f. = Gesamt-
ausgabe Othmar Spann, Bd 11).
3
Gemäß dem Satze „Religion ist vor Staat“ (wenn auch nicht vor „Kirche“).
Vgl. mein Buch: Gesellschaftsphilosophie, München und Berlin 1928, S. 91 ff.
und 103 (jetzt: 2. Aufl., Graz 1968, S. 143 ff. und 157 f. = Gesamtausgabe
Othmar Spann, Bd 11).