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nämlich daß es nicht aus Umformung eines anderen Tuns äußerlich

entstand, wie etwa die Bewegung der einen Billardkugel vom Stoße

der anderen herrührt, wie aus fünfzig Steinen durch Auseinander-

fallen zweimal 50 = 100 entstehen. Die geschöpfliche Selbstwirk-

samkeit ist immer an das gebunden, was ihr eingegeben wird; aber

sie ist darum nicht unschöpferisch. Dem Steine kann man keine

Worte eingeben, keine Erleuchtung zuteil werden lassen. Er kann

sie nicht „aufnehmen“, das heißt nicht schaffen auf Grund dieser

Eingebung, weil sie für ihn keine Eingebung, kein Geschaffen-

Werden ist.

Nur durch Eingebung also, diese aufnehmend und annehmend

(acceptatio) und auf sie als auf ein Vorgegebenes hinblickend, schafft

der Mensch; und ebenso schafft auf seine Weise jedes andere Ge-

schöpf

1

.

/

Daraus entnehmen wir auch die Wechselseitigkeit von Geschaf-

fenwerden und Schaffen. Wir sehen, wie das menschliche und jedes

geschöpfliche Schaffen kein eigenstes und ursprüngliches ist, sondern

nur ein Ausführen dessen, was in ihm geschaffen wurde.

Das Geschaffenwerden oder die Eingebung im weitesten Sinne

nennen wir „ S c h a u e n“, das daraus folgende, ausführende Schaf-

fen nennen wir „H a n d e 1 n“, „Tun“ oder „Wirken“.

Daraus folgt für den Begriff des menschlichen Handelns die

grundlegende Einsicht: Was s i c h i m S c h a u e n a n g e s a m -

m e l t h a t , b r i c h t i m W i r k e n a u s . A l l e s S c h a f f e n

u n d W i r k e n i s t d i e F r u c h t d e s G e s c h a f f e n -

w e r d e n s o d e r S c h a u e n s .

In diesem Satze haben wir nicht nur ein menschliches Gesetz,

wir haben in ihm ein allgemeines Gesetz, das Urgesetz des irdischen

Schaffens. Es gilt nicht nur für den Menschen, es gilt in seiner Art

für alle Wesen. Es gilt darum für alle Wesen, da keines, und gehörte

es sogar der unorganischen Welt an, denkbar ist, ohne schöpferische

Einwirkung zu empfangen und auszuüben. Jener Satz ist darum das

G r u n d g e s e t z d e r W e l t a r b e i t a l l e r W e s e n . Er ist

das Grundgesetz des Seins, das Grundgesetz des Bestandes der Welt.

Wir werden diesem Gesetze des ausbrechenden Wirkens, des Wir-

1

Weiter werden diese Unterscheidungen erst unten in der Geisteslehre zu

verfolgen sein, siehe Viertes Buch, S. 187 ff.