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g e b e n e s schafft. Stets ist es ein Vorgebildetes, das durch Selbst-
wirksamkeit nachgebildet wird; (2) weil es mit E t w a s schafft,
mit einem Stoffe, mit einem Werkzeuge. Sowohl (1) wie (2) ist aber
nur eine — Vermittlung!
Wenn wir sagen „Alles Schaffen ist ein Schaffen aus dem Nichts“,
so müssen wir uns allerdings darüber vollkommen klar sein, was
„ a u s N i c h t s “ für einen Sinn hat. Es hat aber, genau betrachtet,
diesen Sinn: Das Schaffen aus Nichts ist kein Schaffen aus dem
L e e r e n , a u s N u l l , sondern stets ein Schaffen aus einem ver-
mittelnden Grunde, aus jenem nämlich, der sowohl im Urschöpfer
wie im geschöpflichen Schöpfer durch das U r b i l d gegeben ist,
n a c h welchem geschaffen wird. Wenn Gott die Welt schafft, so
schafft er sie lediglich aus seinem S c h ö p f e r g e d a n k e n , als
dem in seinem Inneren seienden Urbilde oder Urgrunde. Und wenn
der Maler ein Bild malt, der Dichter ein Schauspiel dichtet, der
Gelehrte einen Einfall ausarbeitet, so / schafft er aus dem in seinem
Inneren real vorhandenen Urbilde oder Schöpfergedanken. Eben
weil er aber aus dem Schöpfergedanken heraus schafft, schafft er
nicht durch Umformung aus schon Vorhandenem. Was geschaffen
wird, das gemalte Bild, das Schauspiel, die Lehre, sie alle sind n e u ,
sind nicht aus früheren Bildern, Schauspielen, Lehransichten durch
mechanische Mischung entstanden, sind n i c h t z u s a m m e n -
g e s t ü c k e l t . Sie stammen also nicht aus diesen her, sind nicht
aus diesen gemacht; in d i e s e m S i n n e s i n d s i e a u s
d e m N i c h t s e n t s p r u n g e n , sind sie neu entsprungen: ge-
schaffen. Oder sind Papagenos Zauberglöckchen vorher je gehört
worden? In der irdischen Tonwelt sind sie nicht entsprungen, sind
sie aus Nichts geschaffen; aber im Vorsein waren sie als Schöpfer-
gedanke, als Eingebung da. In d i e s e m S i n n e i s t d a s
N i c h t s k e i n L e e r e s , n i c h t N u l l
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. — Das gleiche zeigt
sich bei jedem Schaffen. Das Bild des Malers, die Gestalten des Schau-
spieldichters, die Werke des Denkers — sie alle waren vorher nicht
da, weder in den Bildern, die der Maler vordem sah, noch in den
Begriffen, die der Denker schon vorher lernte. In diesem Sinne wur-
den Bild, Schauspiel, Lehrbegriff aus dem Nichts geschaffen, da die
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Eingebung und aus Nichts schaffen ist also kein Widerspruch, siehe auch
oben S. 54 (das Neue im Nachsagen des Kindes) und unten Geisteslehre, Viertes
Buch.