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überhaupt. Indem allen Dingen ihr Wesensgehalt an- / erschaffen
wird, ihr Eigenes aber darin besteht, dieses Geschaffenwerden in
Schaffen ihrerseits weiterzugeben, auszugebären, geschieht es, daß
der e l e a t i s c h e S e i n s b e g r i f f d e s r e i n e n S i c h -
s e 1 b s t - g 1 e i c h - B 1 e i b e n s s c h e i t e r t
u n d
a l l e s
„ S e i n “ z u m „ T u n “ w i r d — zum nachschaffenden, in sich
sinnvollen und einheitsbezogenen Tun, nicht zum bloßen Flusse der
„Veränderung“. Dieses „Tun“ darf also nicht heraklitisch als bloßer
„Fluß des Werdens“, als „Veränderung schlechthin“, gefaßt werden.
Es ist ein E i n h e i t s b e z u g i n m i t t e n d e r V e r ä n d e -
r u n g vorhanden, und zwar ein zweifacher: erstens dadurch, daß
der Schaffende ein Dasselbiges, ein Gleichbleibendes vor s i c h
hat, das Vorgeschaffene, Eingegebene; zweitens dadurch, daß das
Schaffen, obzwar ein Verlauf, ein Wechsel von Setzungen, doch i n
s i c h selbst Einheit hat — das Schaffende ist Subjekt, Ganzheit,
Substanz. Zuerst also bildet die Eingebung das Eine, Bleibende, Be-
harrende im Wechsel, gegenüber der schrittweisen Entwicklung des
Schaffens; und sodann hat das Schaffen überdies in der sinnvollen,
gliedhaften Bezogenheit der Teile aufeinander eine eigene Einheit
in sich, ein Beharrendes auf eigener Ebene. Das Vorsein ist dem
Werden gegenüber unveränderliches, sich gleichbleibendes Sein. Es
ist ein Vorbild, das zum Dasein gebracht wird; und überdies hat
das werdende Dasein seine Einheit als Ganzes oder Subjekt in sich
1
.
Nunmehr ist genau einzusehen, warum der eleatisch gefaßte
Begriff des „Ding mit vielen Eigenschaften“ (dieses Ding „ruhend“
gedacht) unvollziehbar ist. D e n n n i c h t e i n „ H a b e n “ v o n
E i g e n s c h a f t e n f i n d e n w i r a n d e n s e i e n d e n
D i n g e n , s o n d e r n e i n A u s w i r k e n d e s e i n g e g e b e -
n e n W e s e n s , das schöpferisch, das in eigener Weise und darum,
wie die Sprache mit Recht sagt, als „Eigenschaft und als „Be-
s c h a f f e n - heit“, geschieht. Das Feuer wärmt, der Stein lastet, /
der Geist denkt — sie alle tun etwas Eigenes, stehen im eigenen
Schaffen, in „Eigen-schaften“. Alle Wesen tun das, was in ihrer
Wesenheit vorgeschaffen ist, und in diesem ausgebärenden Tun ist
das Dasein der Welt beschlossen. Jedes Seiende „tut“ etwas und ist
nicht mehr, wenn es nichts mehr tut. Aber dieses Tun ist nicht die
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Vgl. Weiteres darüber unten S. 73 ff. und öfter.