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Im Sein, wie es uns in der Welt entgegentritt, ist nicht / das Ur-
schaffen Gottes, sondern abgeleitetes Schaffen anzutreffen. Am deut-
lichsten ist uns letzteres im menschlichen Schaffen gegeben. Von die-
sem her, wie es uns in der inneren Erfahrung entgegentritt, suchen
wir daher das Schaffen zu verstehen.
Alles menschliche Schaffen ist in zweifachem Sinne ein abgeleite-
tes. Erstens muß es äußerliche Mittel vorfinden und zweitens schafft
es nicht ursprünglich.
Erstens: Der Mensch vermag nur mit Hilfe äußerer Werkzeuge,
Stoffe, die er vorfindet, zu schaffen. So schafft der Maler mit Farbe
und Pinsel, der Baumeister mit Steinen und Holz; aber auch der
Denker schafft mit Hilfe des schon Gedachten und Gelernten, das
heißt mit Hilfe eines Vorstellungsstoffes, den er vorfindet, als einem
früheren Erwerb. Dieses Gebundensein an vorgegebene Mittel ist
aber, wie sich zeigen wird, verhältnismäßig doch nur äußerlich zu
nehmen. Je größer der Meister, um so unmittelbarer schafft er. Je
mühsamer, je vermittelter das Schaffen, um so schwächer die Schöp-
ferkraft. „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister“, wie
Goethe sagte. Freilich kann diese Verminderung der Mittel auf
menschliche Weise nicht bis zum Nullpunkte zu Ende geführt wer-
den. Ganz ohne Mittel kann irdisches Schaffen nie sein.
Entscheidend ist dagegen der zweite Punkt. Hier berühren wir
die dunkelste Tiefe menschlichen Schaffens. Der Mensch schafft nie-
mals aus Ureigenem, niemals aus ihm selbst Angehörigem. Er schafft,
wie wir später in der Geisteslehre genau zeigen werden, stets aus
einem Bilde oder einem Drange oder Triebe, den er schon in sich
hat — aus einem Vorgefundenen. Bild, Drang und Trieb sind gegen-
ständlich da, ehe er schafft, sie sind ihm „gegeben“, „eingegeben“.
Das Ursprünglichste seines Schaffens stammt niemals vom Menschen,
er f i n d e t e s i n s i c h v o r . Dafür hat unsere Sprache die
bezeichnenden Ausdrücke „Einfall“, „Eingebung“, „Einsprache“,
„Erleuchtung“, / „Intuition“. Und auch alle übrigen Benennungen,
die hierauf deuten, wie „Gesicht“, „Vision“, „Ergriffenheit“, „An-
wandlung“,
„Drang“,
„Besessenheit“,
„Verzückung“,
„Instinkt“
weisen in ihrer Nebenbedeutung richtig auf ein Vorfinden hin, auf
ein V o r g e s c h a f f e n e s , darum auf ein V o r b e w u ß t e s
hin, das bei den schöpferischen Vorgängen im Spiele ist. So stellt uns
Schiller richtig die Jungfrau von Orleans vor, zu der eine innere