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Daß die Meinung, Schaffen sei ein bloßes Umformen, unhaltbar
ist, daher weiter auch der Satz „Aus Nichts wird Nichts“ unhaltbar
ist, läßt sich aus unseren früheren Ergebnissen nachweisen.
Wir zeigten in unserem früheren Vergleiche zwischen dem Steine
und dem Kinde
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, was es besagen wolle, daß das Kind das Vor-
gesagte s e l b e r nachsagen müsse. Das „Nachsagen“ ist nur durch
Selbstwirksamkeit, Selbstsetzung, Spontaneität, die der Stein nicht
aufbringt, möglich. (Ebenso steht es bei allem Lernen, weshalb der
Nürnberger Trichter nie erfunden wurde.) Selbstwirksamkeit ist
aber bereits: Schaffen aus dem Nichts. Denn „selbst“wirksam heißt:
daß es nicht ein anderer macht; der andere kann nur vorsagen, das
Nachsagen muß ich selbst machen, nur dadurch bin ich schaffend.
Das Sprechen des Kindes, als geistiges Tun, nicht als werkzeugliche
Bewegung der Zunge verstanden, ist durchaus aus ihm selbst und
aus nichts anderem hergenommen. Wenn auch das, was das Kind
spricht, ein Vorbild hat, so ist doch die Auffassung und Nachbil-
dung des Vorbildes seine eigenste, ihm allein gehörige Tat. Darum
sagt unsere Sprache mit rechtem Tiefblicke, daß das Vorgesagte ihm
a u f g e g e b e n sei, sie sagt nicht, daß es ihm eingetrichtert oder
gleichsam eingeflößt, eingeheizt worden. Die „Aufgabe“ aber muß
ergriffen, vollzogen werden. Dieses / Ergreifen und Vollziehen ist
Tätigkeit, ist ein absolut Eigenes, ein n e u e r Vorgang. Denn das
Vorgesagte ist verklungen und vergangen.
Wer dies genau überdenkt, findet unwidersprechlich: daß jedes
Schaffen Selbstwirksamkeit und damit seinem Begriffe nach ein
Schaffen aus dem Nichts ist und gar nicht anders gedacht werden
kann. N i c h t n u r d a s U r s c h a f f e n G o t t e s i s t e i n
S c h a f f e n a u s d e m N i c h t s , a u c h d a s a b g e l e i t e t e
S c h a f f e n i s t e i n S c h a f f e n a u s d e m N i c h t s . Aber
das „Nichts“ hat allerdings in beiden Fällen einen anderen Sinn.
Ohne Schöpfung aus dem Nichts ist keine Schöpfung begreiflich,
auch nicht die menschliche Schöpfung. Wenn wir sagen, daß das
menschliche Schaffen „abgeleitet“ sei, wie jedes andere geschöpfliche
Schaffen, so ist damit nicht die Schöpfung aus dem Nichts verneint.
„Abgeleitet“ ist das geschöpfliche Schaffen, wie wir schon früher er-
kannten, aus zweifachem Grunde: (1) Weil es ein ihm A u f g e -
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Siehe oben S. 54 f.