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zu erweitern. Wenn nämlich Sein grundsätzlich die Quelle der
Eigenschaften ist, so kann dies nicht nur für Gott, es muß überall
gelten. Für Gott gilt der ontologische Daseinsbeweis recht eigentlich;
aber: er gilt in seiner Weise auch für die geschaffenen Wesen! Wäh-
rend er für Gott begriffsgemäß gilt, das heißt da der Begriff Gottes
als des Allerwirklichsten oder actus purus das Dasein verlangt, ohne
Vorbehalt gilt, ist bei den geschaffenen Wesenheiten oder Sub-
stanzen der Vorbehalt zu machen, daß ihr Sein nur nach Maßgabe
ihres (richtig gebildeten) Begriffes gefordert wird; daß daher im
Begriffe der Gliederbau der Ganzheiten in der Welt richtig erkannt
sei und daß ihr Umgliederungsabschnitt (Stadium) erkannt
sei. (Denn wenn ich einen Jüngling als Mann denke, so nehme ich
späteres Dasein vorweg.) Weil dies nicht immer der Fall ist, sind
wir über die Gültigkeit unserer Schlüsse, über das Zutreffen der
Folgerungen und Eintreffen der Voraussagen oft im Zweifel. Wo
wir aber unserer Begriffe sicher sind, können wir über das Zutref-
fen der Folgerungen und Eintreffen der Voraussagen auch keinen
Zweifel haben.
Sofern Wissenschaft echten Erkenntniswert hat, sofern das „voir
pour prévoir“ als Bewährungszeichen zum Wesen der Wissenschaft
gehört (allerdings nicht im Sinne Comtes, von dem dieses Wort
stammt), ist dies nur auf Grund der Gültigkeit jener Gedanken der
Fall, die den ontologischen Gottesbeweis begründen. Die V o r -
a u s s e t z u n g a l l e s W i s s e n s i s t d i e A n n a h m e ,
d a ß a l l e W e s e n , d i e g e d a c h t w e r d e n , a u c h s i n d ,
w e n n s i e r i c h t i g g e d a c h t w u r d e n
1
.
/
III. Daß der Satz: „Das Sein hat keine Arten“ unrichtig sei und daß
er auf einem falschen Prädikationsbegriffe sowie auf einer falschen
Ansicht vom Wesen des Gattungsbegriffes beruhe
Der Satz, das Sein hat keine Arten, entstammt ebenso wie der zu-
vor behandelte jenem schlechten Begriffe eines leeren, eines unbe-
stimmten Seins, wonach es allgemeinste Aussage (Prädikat) sei und
nur in der Kopula „ist“ grammatisch zum Ausdruck komme
2
.
1
Weiteres siehe unten S. 150 ff. und 156 ff.
2
Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich auf oben S. 24 f., 76 f. und