V i e r t e r A b s c h n i t t
Die Gottesbeweise
I. Die Möglichkeit der Gottesbeweise
Den Gottesbeweisen schreibt man seit Kantens scharfsinniger
Prüfung fast allgemein den Fehler zu, daß sie das Unbedingte aus
dem Bedingten, das Absolute aus dem Relativen erschließen wollen.
Aber dem Bedingten, so sagt Kant, fehlt, rein logisch gesehen, die
Möglichkeit, auf das Unbedingte schließen zu lassen
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. — Sieht man
daraufhin die Gottesbeweise an, so trifft das für den teleologischen,
kosmologischen, moralischen Gottesbeweis grundsätzlich zu, aller-
dings nur in einem bestimmten Sinne, wie wir später sehen werden.
Der teleologische Gottesbeweis sucht aus dem Zwecke in der Welt
auf Gott zu schließen. Aber nicht nur, daß der Zweck nicht überall
zu finden ist: Zweck ist erst dort, wo Mittel sind. Das Unbedingte
aber, das Absolute ist in sich selbst Zweck und nicht in Mittel zer-
spreitet. Mit dem Begriffe des Zweckes, der menschlich ist, der dem
Bedingten angehört, kann man dasjenige, was ü b e r allem Zwecke
ist, nicht rein logisch beweisen.
Der moralische Gottesbeweis ist mit dem teleologischen so innig
verwandt, daß auch für ihn dasselbe gelten kann.
Der kosmologische Gottesbeweis sucht von der Welt auf eine
Ursache, auf Gott, zu schließen. Aber gerade die Ursächlichkeit,
nimmt man sie im genauen Sinne, nämlich als rein mecha- / nische
Abfolge (als Inbegriff blinder Kräfte), gehört ganz und gar dem
Endlichen an. Wie könnte man von der Ursächlichkeit auf das
schließen, was in sich selbst keine Ursache ist? Denn das Schlagwort,
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Vgl. Kant: Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2. Originalausgabe
neu herausgegeben von Raymund Schmidt, Leipzig 1926, S. 611 ff. (= Philosophi-
sche Bibliothek, Bd 37 d). — Vgl. auch Friedrich Adolph Trendelenburg: Logische
Untersuchungen, Bd 2, 3. Aufl., Leipzig 1870, S. 492 ff.