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keit oder Hang zur Schöpfung liegen. Das Gute ist ein diffusivum
sui, das Gute ist das Sich-selbst-Mitteilende.
Halten wir in der Geschichte der Philosophie Umschau, so finden wir nirgends
eine Lehre, die einen notwendigen Grund für die Schöpfung in Gott verständ-
lich zu machen vermöchte. Wohl ist bei Aristoteles die Selbstbetrachtung Gottes
zuletzt der Grund der Welt, der Unbewegte bewegt die Welt, und darin ist soviel
groß und wahr, daß der Geist es ist, aus dem die Welt hervorgeht und daß die
Schöpfung gerechtfertigt, das heißt ihre Möglichkeit verständlich gemacht wird;
keineswegs aber ist das Hervorgehen als Hergang und Notwendigkeit damit auch
nur annähernd dargelegt. Einen anderen Weg schlugen die Neuplatoniker mit
ihrer Emanationslehre ein. Macht man nun mit der Emanation im eigentlichen
Sinne, dem „Uberfließen“ und „Ausfließen“ des Ureinen in die Weltstufen und
der höheren Stufe in die niederen, Ernst, so ist damit jeder wahre Schöpfungs-
begriff vernichtet und der Naturalismus eingeführt
1
; betrachtet man aber die
neuplatonische Emanation nur als Bild, so ist die Notwendigkeit einer Schöpfung
des Niederen durch das Höhere wieder nicht begreiflich gemacht. Wenn die
Neuplatoniker die Ideenwelt des
νοϋς
vermittels der Weltseele der Sinnlichkeit
eingeboren werden lassen, so ist dies nur der weitere mittelbarer gemachte Weg
der Schöpfung, aber nirgends wird gezeigt, wie der aristotelisch-platonische Ge-
danke: „Gott denkt sich selbst, erschafft dabei die Welt, er ist damit Schöpfer
der Welt“, seine Gültigkeit erweise, wie mit dem Sich-Selbst-Denken Gottes
notwendig die Entstehung der Welt verbunden ist.
Auch die Naturphilosophie Schellings, die Geistesphilosophie Hegels / könn-
ten hiefür nicht herangezogen werden, da sie wohl zeigen, die Welt sei geistig
und baue sich aus den Selbstsetzungsschritten des Geistes auf, nicht aber zeigen,
warum es zu solchem Entstehungsgange kommt.
Jener Naturalismus hinwider, der in pantheistischer Weise Gott einen
Zwang zur Schöpfung, in die er sich selbst mischte und in die er selbst ausginge,
zuschreiben möchte, kann sich keinesfalls mit strengem Denken ausweisen. Hier
liegt der Fehler schon am Anfang, schon in der ersten Begriffsaufstellung: indem
Gott gleich seinem Begriffe nach als sich selbst nach außenhin setzend aufgefaßt
wird. Gerade das aber soll ja erst bewiesen werden. Was bewiesen werden soll,
der Schöpfungsgrund, wird vom Naturalismus vorausgesetzt, und was erläutert
werden soll, der Schöpfungsbegriff, bleibt ihm im Dunkeln.
Welche Mängel die Lehre von der „Natur in Gott“ (Schelling, Weisse, Jakob
Böhme) in sich selbst hat, wurde oben gezeigt
2
. Eine Schöpfung nach außen
hin kann sie aber, auch wenn man diese Mängel in Kauf nehmen wollte, nicht
begreiflich machen.
Fassen wir nun das Verhältnis Gottes zur Welt selbst ins Auge.
Hierüber gibt uns unsere „Kategorienlehre“ genaue Einsichten an
die Hand, wie sie übrigens auch in den älteren Lehren durchaus
nicht fehlen, wofür die scholastische Konkurslehre (Mitwirkungs-
lehre) und die neuplatonische Lehre von der Rückwendung der
Dinge zu Gott
(επιστροφή)
Zeugnis gibt.
1
Siehe oben S. 63 ff.
2
Siehe oben S. 122 ff.