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wenn das Übersinnliche im Sinnlichen wirksam ist, dann muß es
auch das Herrschende sein.
So kommen wir vielmehr zu demselben Ergebnisse zurück, zu
dem Ergebnisse, das schon die mittelalterlichen Scholastiker / be-
herrscht: G o t t i s t , a l s d e r G r u n d a l l e s E r k e n -
n e n s , d a s a m m e i s t e n E r k e n n b a r e ; Gott wird in
jedem Gegenstande der Erkenntnis, in jedem Erleben des Gemütes,
in jeder Tat des Geistes erfaßt, wie das Licht in jedem Gegenstande
des Sehens.
„Gott wird durch Gott erkannt in der Seele“, sagt Meister Ecke-
hart.
Der Beweis aus dem wirklichen Bestehen des Gottesbegriffes, den
wir im obigen führten, ist nichts als eine kritisch veränderte Form
des uralten Beweises „aus der Übereinstimmung der Völker“ (a con-
sensu gentium). Es liegt aber nicht in der Übereinstimmung selbst
der Beweis, denn über die Wahrheit kann man nicht abstimmen,
sondern in jenen Quellen, aus denen alle Übereinstimmenden glei-
chermaßen schöpften, in den übersinnlichen Bestandteilen der Ka-
tegorien. Bevor diese selbst nicht nachgewiesen sind, ist allerdings
dieser Beweis nicht gänzlich aufgehellt und begründet.
II.
Die überendlichen Bestandteile in den endlichen Kategorien als
Grundlage aller Gottesbeweise
In der bisherigen logischen Grundlegung der Gottesbeweise zeigte
sich eine Unterlassung. Gerade weil es richtig ist, daß rein endliche
Kategorien auf Gott nicht übertragbar sind und kein rein endlicher
Gedankengang auf das Überendliche hinführt, der Gottesbegriff
jedoch tatsächlich besteht und die größte Macht über den Menschen-
geist ausübt, so folgt daraus, daß in den Kategorien des weltlichen
Seins bereits Bestandteile des Übersinnlichen enthalten sind, das
menschliche Denken daher nicht in jedem Sinne auf Gott unanwend-
bar ist.
Darum liegt die Aufgabe der Gottesbeweise nicht so sehr im un-
mittelbaren Beweisgange selbst als darin, das Über- / sinnliche in