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auch im Begriffe der Welt das Schöpferische als Wesensbestandteil
aufgezeigt werden — ein Überweltliches in der Welt, wovon der
Schluß auf Gott sich von selbst ergäbe.
Damit sind wir aber auf einen anderen Gedankengang hingewie-
sen.
II.
Der Beweis aus dem tatsächlichen Vorhandensein
des Gottesbegriffes
Denkt man den Einwand zu Ende, daß mit den Denkformen des
Endlichen das Unendliche nicht zu erreichen sei, so folgt daraus nur,
daß Gottesbeweise auf der Grundlage solcher Kategorien, die ganz
dem Endlichen angehören, nicht möglich sind. Es folgt aber daraus
nicht, daß überhaupt keine Gottesbeweise möglich wären. Sollen
Gottesbeweise sein, so dürfen sie nicht mit Kategorien arbeiten,
die dem Unbedingten in jedem Sinne abgesprochen werden müssen
— das räumen wir ein. Wäre es aber nicht möglich, Kategorien zu
finden, die in irgendeinem Sinne auf das Über-Endliche hinweisen?
Diese Frage gilt es nun gründlich zu erwägen.
Allgemein stimmt man darin überein, daß auf Gott nicht die
Kategorien des Endlichen angewendet werden dürfen. Man kann
von ihm, pflegt man zu sagen, nur aussagen, was er nicht ist. Meister
Eckehart sagt: „Was Gott von Natur sei, dessen / kam nie ein Trop-
fen in die Vernehmung einer Kreatur“
1
(wie es auch unser Leit-
spruch ausdrückt). Gott ist über alles Begreifen hinaus, Gott ist
über alles Wesen, sagt Meister Eckehart; der hl. Thomas sagt, „daß
durch die Definition seiner Namen nicht das definiert werden kann,
was Gott ist“ (quod per definitionem ipsorum nominum non po-
test definiri id quod est Deus
2
). Und weiter heißt es: „Jede Defini-
tion besteht aus Gattung und Differenz; das, was im eigentlichen
Sinne definiert wird, ist die Art (species). Nun ward aber gezeigt,
daß die göttliche Wesenheit unter keinen Gattungs- oder Artbegriff
fällt, also kann es von ihr keine Definition geben.“
3
1
Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 389,
Zeile 7.
2
Thomas von Aquino: Compendium theologiae, c. 26.
3
Thomas von Aquino: Compendium theologiae, c. 26.